Grundstücksverkauf: Bürgermeister Markus Mücke vertraute einer Pralinenfabrikantin bei der Beurteilung von Gemeindeeigentum – Teil 1.

13. Juni 2012
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„Selbstgemachte Schokoladenspezialitäten – darauf hat sich Dorrit Severin spezialisiert. Zu Weihnachten gibt es spezielle Kreationen. Wichtige Zutaten sind: Marzipan, Zimt und Trockenobst.“ – so lautete die Visitenkarte der Schokoladenfabrikantin Dorrit Severin aus Quedlinburg zur Weihnachtszeit 2011 im NDR Fernsehen in der Reihe „Landpartie: Im Norden unterwegs.“

2007 zog die frühere Immobilienmaklerin aus Berlin in den Harz, eröffnete in Quedlinburg ihr Schokoladengeschäft und produziert dort seit dem Pralinen und Trüffel. Für die Liebhaber von Kakao führt die Unternehmerin auch Schokoladenseminare durch. Doch nicht nur süße Sachen liebt Dorrit Severin. Sie ist auch Sachverständige für die Wertermittlung bebauter und unbebauter Grundstücke und gehört dem Bundesverband Freier Sachverständiger e.V. in Düsseldorf an.

Vor mehreren Wochen hat Bürgermeister Markus Mücke im Hauptausschuss einen Antrag eingebracht, der den Verkauf des gemeindeeigenen Grundstückes in der Rosa – Luxemburg – Straße 48 an die  Zahnärztin Juliane Möhl aus Nordwestuckermark zum Kaufpreis von 80.100 Euro vorsah.

Dieses Haus samt dem Grundstück verkaufte die Gemeinde für 80.100 Euro. Zu wenig meint der Fraktionsvorsitzende des BürgerBündnis freier Wähler, Bernd Puhle. (Foto: Wolff)

Die Mehrheit der Ausschussmitglieder stimmte für den Antrag, nur Ortsentwicklungschef Joachim Kolberg (CDU) und Bernd Puhle (BürgerBündnis) votierten dagegen.

„Der Preis für die Immobilie und das fast achthundert Quadratmeter große Grundstück ist viel zu gering im Vergleich zu ähnlichen Objekten in der Umgebung.“, meint Bernd Puhle.

CDU – Fraktionschef Kolberg begründete seine ablehnende Haltung im Immobilienverkauf so: „Die Aussage des Bürgermeisters, wonach die Grundstückspreise in Schulzendorf aufgrund des Flughafens gefallen sind, ist für mich nicht nachvollziehbar. Dies ist nachweislich nicht der Fall. Außerdem wird behauptet, eine Gutachterin hätte festgestellt, dass die Bausubstanz des Gebäudes sehr schlecht sei und nur mit hohen Kosten saniert werden könne. Auch das scheint mir sehr fraglich.“

Bürgermeister Markus Mücke: Der Verkaufspreis des Grundstücks in der Rosa - Luxemburg - Straße ist "wertgemäß". Foto: Wolff

Bürgermeister Markus Mücke rechtfertigte den Verkaufspreis, er sei „wertgemäß“.  Er stüzt sich dabei auf das  Gutachten der Harzer Pralinenherstellerin und Sachverständigen vom 29. Februar 2012. Darin wurde der Verkehrswert mit 80.600 Euro beziffert. Schon im Mai 2005 hatte Dorrit Severin das Grundstück und Gebäude für die Gemeinde Schulzendorf bewertet. Damals belief sich der Verkehrswert noch auf 107.400 Euro.

Markus Mücke begründete den Wertverfall von rund 27.000 Euro vor den Ausschussmitgliedern so: „Die Wertminderung ist im Wesentlichen auf den baulichen Zustand der Immobilie und den Auswirkungen des Flughafens zurückzuführen.“

Doch den baulichen Zustand hat die Sachverständige im Gutachten vom 29.02.2012 gar nicht tiefgründig betrachtet. Es erfolgte nämlich „nur eine äußere Inaugenscheinnahme und keine detaillierte Grundstücksbesichtigung und – zustandsaufnahme.“, so steht es jedenfalls in der Einleitung des Gutachtens. In die aktuelle Bewertung wurden „Erkenntnisse des Ursprungsgutachtens“ (gemeint ist das Gutachten vom Mai 2005 – die Red.) und „mündliche Aussagen durch die Gemeinde Schulzendorf“  einbezogen. Auf gut Deutsch heißt das: Das brandneue Gutachten stüzt sich nur auf Äußerlichkeiten und subjektiven Annahmen!

Gemeindevertreter Bernd Puhle zweifelte unlängst  das Urteil der Sachverständigen Dorrit Severin an. Eine gute Schokoladenproduzentin zu sein und gleichzeitig qualifizierte Gutachten zu erstellen sind für ihn Ansprüche, die nur schwer miteinander vereinbar sind. „Man kann nicht gleichzeitig auf zwei Hochzeiten tanzen.“, meint Puhle.

Anders sieht das Bürgermeister Markus Mücke: „Die geschäftlichen Unternehmungen der Auftragnehmer sind für mich im Zusammenhang mit Gutachtertätigkeiten nicht relevant.“

Lesen Sie im 2. Teil: Welchen Einfluss hat der Hauptstadtflughafen auf den Verkaufspreis des Grundstückes in der Rosa Luxemburg Straße 48? Zur Wertentwicklung von Grundstücken im Umfeld des künftigen Hauptstadtflughafens gibt es unterschiedliche Ansichten.

 

 

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9 Responses to Grundstücksverkauf: Bürgermeister Markus Mücke vertraute einer Pralinenfabrikantin bei der Beurteilung von Gemeindeeigentum – Teil 1.

  1. Nadine
    3. April 2017 at 07:50

    Hallo zusammen,
    vielen Dank für den sehr interessanten Artikel.
    Meiner Meinung nach, sollte man wenn man ein Grundstück verkauft, einen Energieausweis beantragen.

    Liebe Grüße
    Nadine

  2. Herbert
    19. Juni 2012 at 18:02

    @Herr Dziewinski: Ich freue mich dass wir ähnlich Auffassungen haben. Wir beide sind ja nur Laien. Mir geht es wie Ihnen, viele Fragen und Spekulationen.

  3. Stefan Dziewinski
    Stefan Dziewinski
    18. Juni 2012 at 23:43

    @Herbert
    Herr Kolberg fragte mich in meiner Eigenschaft als Vermögensberater mit über 17 Jahren Berufserfahrung u.a. in der Immobilienfinanzierung, was ich von dem Verkaufspreis halte.
    Ich habe mir das Gebäude schon vor längerer Zeit von außen angesehen und mir folgende Fragen gestellt (ich bin kein Immobiliensachverständiger oder Experte):
    Wie alt ist das Dach? (vermutlich aus den Jahren von 1930-1940)
    Hält es noch weiter? (hoffentlich)
    Ist es dicht? (hoffentlich)
    Ist es gedämmt? (vermutlich nicht)
    Wie dicht sind die alten Holzfenster? (vermutlich eher undicht)
    Fällt die alte Farbe von selbst vom Fensterrahmen, muss man da groß nachhelfen oder doch besser gleich neue Fenster einbauen? (unbedingt neue Fenster)
    Aus welchem Jahr stammt die Elektroinstallation? (unbekannt, aber neue Installationen würde man auch außen sehen, Steckdosen, Lampen usw.)
    Wie modern ist die Heizungsanlage? (hoffentlich modern)
    Wann wurde die Sanitäranlage zuletzt modernisiert? ( so, wie das Objekt von außen aussieht, vermutlich noch nie)
    Ganz wichtig: Was bedeuten die aufsteigenden Nässeflecken im Mauerwerk im Bereich des Anbaues an der Tiefgarage?
    Wie groß sind damit die Schäden durch aufsteigende Nässe im Gebäude?
    Gibt es eventuell Schimmel?
    Welche Altlasten stecken da sonst noch drin?
    Antworten kann hier nur das Expose des Verkäufers oder Maklers oder die selbstständige Inaugenscheinnahme geben.
    Wer schon einmal eine alte Immobilie auf einen modernen Stand gebracht hat, der weiß, hier sind locker weitere 100.000 € zu investieren. Eher deutlich mehr, falls meine Fragen zu teuren Antworten führen.
    Und dann passt der Vergleich mit den sanierten Objekten aus der Zeitung auch wieder, lieber Herr Herbert.
    Ein Schnäppchen ist das sicher nicht, eher ein Handwerker- oder Investitionsobjekt.
    Zur Kompetenz der Gutachterin kann ich nichts sagen, allenfalls Beispiele benennen: Ein Gemeindevertreter war jahrelang Fernmeldehandwerker, dann Polizeibeamter, jetzt ist er Ausschussvorsitzender in der Gemeinde. Der kann immer noch die Verkehrsregeln oder ein Telefon anschließen. Und zwar in Top Qualität. Manche Sachen verlernt man nicht, das ist klassisches Handwerk, auch die Immobilienbewertung gehört dazu. Es gibt dafür Wertetabellen und Nachschlagewerke. Wenn man das Handwerk einmal gelernt hat, kann man sogar etwas anderes tun:
    z.B. Schokolade produzieren. Ich hoffe sie schmeckt.
    Stefan Dziewinski

  4. Herbert
    17. Juni 2012 at 13:31

    Wenn ich ein Grundstück zu verkaufen hätte würde ich mir keine “Pralinenfabrikantin” zur Bewertung aussuchen. Ich will nicht sagen, dass die Dame damit schlecht ist, aber etwas merkwürdig ist das schon.

    Wenn ich die Preise in den Zeitungen verfolge, scheinen mir 80.000 Euro für so ein großes Haus ein Schnäppchen zu sein. Es wird zwar argumentiert, daß es keine Interessenten gab, doch da habe ich meine Zweifel. Ob eine richtige Vermarktung stattgefunden hat bezweifle ich. Für das alte Gemeindeamt gibt es sie auch nicht.

  5. 007
    17. Juni 2012 at 09:45

    @Transparenz ist angesagt: Ihre Ansicht teile ich nicht. Sachverständiger ist jemand, der in der SACHe VERSTAND hat. Den kann ich nur dann haben, wenn ich mich mit dem Gebiet ständig beschäftige. Ich würde es verstehen, wenn die Schokoladenproduzentin Sachverständige für Lebensmittelherstellung oder Süßwarenprodukte oder ähnliches ist. Da gibt es einen Bezug zur täglichen Arbeit. Aber auf einem völlig artfremden Zweig ?? , da verstehe ich die Zweifel von Herrn Puhle und Herrn Kolberg. Ist Ihnen ein Arzt bekannt, der nebenberuflich Kfz. Gutachten fertigt? Ihr Buchhalter trainiert nebenbei eine Fußballmannschaft. Wie weit nach oben ist er mit ihr gekommen?
    Noch etwas, wie will ich denn Entwicklungstendenzen auf dem Grundstücksmarkt erkennen, verfolgen und auswerten, wenn ich meinen Lebensraum 300 Kilometer vom zu beurteilenden Gebiet habe?

  6. Transparenz ist angesagt!
    17. Juni 2012 at 03:28

    …ich habe mal mein Haus verkaufen wollen. Da hat mich der Gutachter befragt und meine Antworten in dem Gutachten verwendet. Das war ganz normal. Danach hat er sich das Haus und das Grundstück besichtigt. Das nannte er äußere Inaugenscheinnahme. Das war auch ganz normal. Wo ist hier das Problem? Ich erkenne es nicht.

    Mein Gutachter hatte keine Schokolade verkauft und trotzdem war ich der Meinung, dass er das Haus zu gering eingeschätzt hatte. Dann hat er mir dieses erklärt. Es gibt gesetzlich vorgegebene Spielräume. Die sind aber beschränkt.

    Mein Buchhalter in meiner Firma trainiert nebenberuflich sehr erfolgreich eine Fußball-Jugendmannschaft. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass damit die Kompetenz hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit gefallen ist.

    Warum sollte nun die Kompetenz der Gutachterin schlecht sein, bloß weil sie zudem noch ein – hoffentlich – hoffentlich gut gehendes Gewerbe betreibt?

    Tragen Sie hier eine private Fehde mit der Gutachterin öffentlich aus oder gibt es noch sachliche Argumente, warum Sie derart über die Gutachterin herziehen?

    Dass ein Herr Puhle gewisse Sachverhalte hinterfragt und an dem Wahrheitsgehalt zweifelt ist erlaubt, aber ich hinterfrage seine Kompetenz, dass er den Sachverhalt beurteilen kann. Der Volksmund sagt: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht!

    Andererseits kann auch ein Herr Puhle hinzulernen. Natürlich muss man Wissen nicht annehmen, aber es erleichtert enorm das Verständnis für die Zusammenhänge.

    Ich bin gespannt auf Teil II. Irgendwann muss Herr Wolff ja mal mit den echten Sachargumenten herauskommen…

  7. Gruß aus der August - Bebel - Straße
    13. Juni 2012 at 14:11

    Offensichtlich hadelt es sich um ein Gefälligkeitsgutachten. Keine “Zustandsaufnahme”, dafür jede Menge Informationen vom Amt, dann wird alles im Mixer durchgeschüttelt und fertig ist der Verkehrswert. Man sollte vielleicht mal prüfen, ob hier geWULFFt wurde.

  8. Red Bull
    13. Juni 2012 at 07:55

    Ein Gutachten, daß sich auf Aussagen der Gemeinde stützt ohne das genaue Untersuchungen durchgeführt wurden hat den Namen Gutachten nicht verdient. Eine “Meisterleistung” von Herrn Mücke und seiner Verwaltung.

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