Klartext: Dorfbewohner gehen auf die Straße und fordern mehr Bürgerbeteiligung.

6. Juli 2015
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Nicht nur in Schulzendorf wird über das Thema Flüchtlingsaufnahme heiß diskutiert.  In Zützen, einer 350 Seelen Gemeinde im Landkreis Dahme Spreewald, soll eine Gemeinschaftsunterkunft für etwa 120 politisch Verfolgte entstehen. Weil sich Bewohner unzureichend zur Frage der Unterbringung einbezogen fühlen, hat sich die Initiative Pro Zützen gebildet. Vor kurzem machten sich Zützener zu einer Kundgebung auf den Weg nach Golßen, um mehr Demokratie einzufordern. Unterstützt wurden sie von Bewohnern der Nachbargemeinden. Der Schulzendorfer sprach mit Jessica Lehmann, Sprecherin der Bürgerinitiative. 

Bewohner aus Zützen auf dem Weg nach Golßen zur Kundgebung. (Foto: J.Lehmann)

Bewohner aus Zützen auf dem Weg nach Golßen zur Kundgebung.

Frau Lehmann, welche Botschaft wollten Sie mit der Demonstration verkünden?

In erster Linie, dass wir Bürger in der Frage der Flüchtlingsaufnahme mitreden wollen. Es geht nicht, dass Politiker uns in so einer wesentlichen Frage etwas überstülpen.  Es ging uns auch um Solidarität mit anderen Bürgerinitiativen der Region und die Bündelung der Kräfte über die Gemeindegrenzen hinaus. Dass unsere Auffassungen von den Bürgern unterstützt werden, hat die Kundgebung in Golßen mit rund 350 Teilnehmern bewiesen.

Nun gibt es in Golßen auch Stimmen, die meinen, Pro Zützen würde die Bewohner gegen Asylsuchende aufhetzen. Stimmt das?

Ich halte es für unfair, wenn Kritik im Zusammenhang mit der Flüchtlingsdebatte als Hetze abgetan wird. Die Kritik richtet sich nicht gegen die Flüchtlinge, sondern gegen die politisch Verantwortlichen bei uns, die Bürger vor vollendete Tatsachen setzen wollen.

Was denken die Bewohner in Zützen, sollen Flüchtlinge kommen oder nicht?

Es gibt Zützener, die keine Asylbewerber haben wollen, weil sie teilweise keine politischen Flüchtlinge sind. Die Mehrheit sagt, klar helfen wir, aber die Bedingungen müssen stimmen. Und eine ist, dass die geplante Anzahl von 120 Asylbewerbern für unseren Ort zu hoch ist. Wenn Familien in angemessener Zahl kommen, dann kann man sich damit anfreunden. Und da finden sich in Zützen auch Bürger, die mit ihnen Einkaufen fahren. Wenn sie sich ein neues Leben aufbauen wollen, ist das in Ordnung.

Wie müssen die Bedingungen Ihrer Meinung nach aussehen, damit es stimmt?

Die Asylbewerber müssen auch in den Gemeinden nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ verteilt werden. Die Infrastruktur muss stimmen. Ein kleines Beispiel: Die nächste Einkaufsmöglichkeit befindet sich rund 4 Kilometer von Zützen entfernt. Es gibt jedoch keinen Fahrradweg an der B 96 entlang. 20 Jahre haben wir darauf gewartet, jetzt soll einer kommen. Generell muss der Landkreis ein Konzept auf den Tisch legen. In anderen Kommunen geht es doch auch.

In welchen zum Beispiel?

Nehmen Sie Waldrehna. Dort wurden 50 Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Die politisch Verfolgten machen in Vereinen mit, in der Schule gibt es keine Probleme. Mit den Bürgern wurde im Vorfeld alles besprochen. Nur hier bei uns findet das leider nicht statt.

Kundgebung in Golßen (Foto: J.Lehmann)

Kundgebung in Golßen

Es ist im Zusammenhang mit der Flüchtlingsaufnahme von Ängsten der Bürger die Rede. Welche sind das konkret?

Viele Frauen haben Angst vor den alleinstehenden Männern. Sie kommen aus einer Kultur, in der Frauen eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Da werden Übergriffe befürchtet.  Eine andere Sorge steht im Zusammenhang mit der Unterbringung der Asylbewerber. Erfolgt die konzentriert, muss mit größerer Polizeipräsenz gerechnet werden. Das wird für viele Anwohner unangenehm sein. Deshalb warnen sogar Kirchenvertreter im Ort vor einem Ausländerghetto.

Sie haben sich an den Landkreis gewandt und eine Bürgerbeteiligung in der Frage eingefordert. Fühlen Sie sich von ihm ausreichend gehört und ernst genommen?

So richtig nicht. Wir bekommen einfach unsere Fragen, zum Beispiel in Sachen Integration, nicht beantwortet. Es gibt bei uns zu wenige Ärzte, Plätze in den Kitas und der Schule sind rar. Die Lehrer sind überfordert. Die Position von Landrat Loge, wenn die Asylbewerber da sind, wird man weiter sehen, stößt den Zützenern bitter auf. Wie sollen 120 Menschen in unserer kleinen Gemeinde integriert werden, diese Frage bleibt unbeantwortet.

Was plant Ihre Bürgerinitiative in nächster Zeit?

Am 15. Juli werden wir erneut im Kreistag auftreten. Die Abgeordneten dort sind zwar schon von unseren Fragen genervt. Wir werden sie damit so lange konfrontieren, bis wir konkrete Antworten erhalten. Darüber hinaus bauen wir die Kontakte zu anderen Initiativen im Landkreis aus. Im Herbst planen wir gemeinsame Aktionen. Dass am 11.10.2015 ein neuer Landrat gewählt wird, ist uns bewusst.

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