Im Kreuzverhör: Frank Kerber über Hintergründe zum Projekt am Dahme Nordufer (Teil 2)

10. Juli 2022
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Frank Kerber war viele Jahre Chef der städtische Wildauer Wohnungsbaugesellschaft (WiWO). Er kennt das Projekt der Bauwert AG am Dahme Nordufer von Anfang an. Dort sollen bis 2035 rund 700 Wohnungen entstehen. Die Mieten für geförderten Wohnraum sollen zwischen 8 und 10 Euro, die für übrige 12 bis 13 Euro kosten.

Der Schulzendorfer sprach mit ihm:

Nochmal zurück zum Optionsvertrag. Es wird behauptet, dass der vereinbarte Kaufpreis zu gering sei. Trifft das zu?

Frank Kerber: Das ist Unfug. Wer sich den Optionsvertrag, der unter dahmeufer.de einsehbar ist, vollständig durchliest, wird zum selben Schluss kommen. Ich finde, dass die WiWO damals die Interessen der Stadt und der Bürger umfassend gesichert hat. Das Areal sollte für alle Wildauer öffentlich zugänglich werden und eine tolle und vielfältige Lebens- und Aufenthaltsqualität bieten.

Angela Homuth und Mark Scheiner haben Anfang 2020 erklärt, dass sie ein neues Verkehrswertgutachten einholen werden. Das Gutachten liegt seit Herbst 2021 vor, wurde aber seitdem streng geheim gehalten. Jetzt ist mir klar, warum. In der jüngst stattgefundenen Bürgerversammlung wurde bekannt, dass der aktuelle Verkehrswert aus 2021 deutlich unter den in 2015 vereinbarten Kaufpreisen liegt, wobei die Altlasten davon noch nicht einmal abgezogen worden seien.

Dr. Leibfried von der Bauwert AG hat transparent dargestellt, dass vor dem Bau des ersten Hauses – Stand heute – mindestens 36 Millionen Euro zu investieren sind. Auf die bei der WiWO verbleibenden Flächen sind das gut und gerne dann mindestens 11 Millionen Euro, die vorab von Bauwert zugunsten der WiWO investiert werden. Das sind deutlich über 500 Euro je Quadratmeter künftigen Baulandes. Bei weiterhin stark steigenden Preisen trägt Bauwert das Risiko und die WiWO bleibt Nutznießer.

Im Optionsvertrag steht, dass Bauwert nur bis zu 70 Prozent der bebaubaren Flächen erwerben kann. Der Rest verbleibt bei der WiWO. Das hört sich gut an, oder?

Frank Kerber: Bauwert hat alle Verfahrens-, Entwicklungs- und Erschließungskosten zu tragen. Bauwert trägt zudem alle Kosten für sämtliche Straßen, Wege und Plätze samt Uferpromenade und Altlastenbehandlung. Von den ca. 77.000 m² Projektfläche werden weniger als 60.000 m² als Bauland übrigbleiben. Das hat zur Folge, dass die WiWO circa ein Drittel davon als fertiges und erschlossenes Bauland unentgeltlich und risikolos behält, während Bauwert die dann eigenen zwei Drittel schon finanziell hoch belastet hat, gleichzeitig aber seit Jahren das volle Risiko trägt.

Was einige Kritiker außerdem mit Absicht verschweigen ist, dass nach dem Optionsvertrag die WiWO alternativ das Recht hat, gleichberechtigter Partner in einer neu zu gründenden Projektgesellschaft zu sein. Möglichen hälftigen Gewinnen stehen dann aber auch erhebliche Risiken gegenüber.

Das Areal ist ein sehr Altlasten behaftetes Gelände. Besteht in der vollständigen Entsorgung nicht ein wirtschaftliches Risiko?

Frank Kerber: Der Umfang der tatsächlichen Entsorgung hängt von den konkreten baulichen Maßnahmen ab. Das städtebauliche Konzept ist nach der Altlastenanalyse so entwickelt worden, dass der Entsorgungsumfang optimiert werden kann. Straßen, Wege und Plätze sind so angelegt, dass ein Teil der Altlasten in Einklang mit dem Umweltamt im Boden baulich verkapselt wird und dort verbleiben kann. Dennoch muss ein erheblicher Teil fachgerecht entsorgt werden. Ein weiteres Problem besteht darin, dass gründungsfähiger Boden großenteils erst ab 8 Meter Tiefe beginnt. Aufgrund der Altlasten muss daher eine sogenannte Pfahlgründung der Gebäude erfolgen.

Kerber

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Einige Wildauer wünschen sich, dass das Gelände so bleibt, wie es ist. Kann man das Nordufer nicht einfach so lassen, wie es ist?

Frank Kerber: Alle Verantwortlichen wissen seit Jahren, dass das nicht möglich ist. Deshalb stand diese Variante auch nie ernsthaft zur Debatte. Hier werden leider absichtlich Tatsachen verklärt und von einigen Akteuren im Wahlkampf falsche Hoffnungen verbreitet, um Sympathien zu wecken. Jetzt versucht es Enno von Essen mit ähnlichen Hoffnungen und Versprechungen. Das ist nicht aufrichtig, sondern unseriös. Wenn es so einfach wäre, dann könnten die Bürgerinnen und Bürger schon seit 30 Jahren das Nordufer öffentlich nutzen. Seit 30 Jahren ist das Gelände aber für die Öffentlichkeit gesperrt. Das wird doch Gründe haben.

Letztendlich ist der plötzliche Sinneswandel Ende 2019 völlig unerklärlich, wenn man bedenkt, dass das Vorhaben bis dahin eine breite Unterstützung bei der Stadt Wildau und den Stadtverordneten gefunden hat.

Und warum kann dort keine neu gestaltete Grünanlage entstehen?

Frank Kerber: Schauen wir uns die Sanierung des Hasenwäldchens an. Sie hat die Stadt 4 Millionen Euro gekostet. Dort lagen aber überwiegend nur Bauschutt und Dachpappen. Es mussten zunächst alle Bäume gefällt, Altlasten entsorgt, Boden aufgefüllt und neue Bäume gepflanzt werden. Ein Erhalt der vorhandenen Bäume war nicht möglich.

Genauso verhält es sich am Dahme Ufer. Das ist nichts Neues. Allerdings sind die Kosten aufgrund der Tiefe und der Art der Altlasten deutlich höher. Diese Maßnahmen würden die WiWO vermutlich über 30 Millionen Euro kosten, ohne wirtschaftliche Refinanzierung. Das müsste die WiWO dann aus den Bestandsmieten finanzieren. Davon dürften die Mieter nicht begeistert sein.

Was sagt der Landkreis zu dem kontaminierten Areal?

Frank Kerber: Robert Krowas, Leiter des Umweltamtes, hat mitgeteilt, dass die WiWO kürzlich schriftlich dazu aufgefordert worden sei, das gesamte Nordufer unverzüglich und vollständig einzuzäunen, um sicherzustellen, dass niemand mehr das Gelände betritt. Die Uferpromenade ist davon glücklicherweise nicht betroffen. Allein das zeigt, dass das Problem nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden kann.

Eine Sperrung des Geländes kann aber nur eine vorübergehende Zwischenlösung sein. Sollte es keine bauliche Lösung geben, ist es sehr wahrscheinlich, dass das Umweltamt den Grundstückseigentümer, also die WiWO, mit allen finanziellen Folgen auffordern wird, eine Sanierungsplanung anzufertigen und das Altlastenproblem selbst zu lösen. Es gehört zur Aufrichtigkeit politischer Akteure dazu, den Bürgerinnen und Bürgern diese Umstände offen zu legen, damit sie sich ein objektives Bild machen können.

Lesen Sie im Teil 3, was Kerber zur Bürgerversammlung sagt und wie es weitergeht.

3 Responses to Im Kreuzverhör: Frank Kerber über Hintergründe zum Projekt am Dahme Nordufer (Teil 2)

  1. Wolfgang Altenburg
    17. Juli 2022 at 21:19

    Warum einzäunen?

    Das Problem liegt nicht an der Oberfläche!!! Der gefährlichere Teil der Altlasten am Dahme Nordufer befindet sich derzeit in tieferen Schichten. Insgesamt wurden ca.8 25 Tonnen Arsen, bis 1921 als Abfallprodukt der Schwefelsäureproduktion dort abgelagert.
    Diese Abfallprodukte liegen seit 100 Jahren dort und waren in dieser Zeit den Niederschlägen etwa 55 cm pro Jahr ausgesetzt. Das heißt, 55 m Wassersäule sind in 100 Jahren durch die Altlasten durchgesickert und haben aus der oberen Altlastenschicht alle wasserlöslichen Arsenbestandteile ausgewaschen und in tiefere Schichten transportiert.
    Somit besteht beim Betreten des Oberflächenbereiches keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben. Es gibt an der Oberfläche sicherlich noch in der Schlacke fest gebundenes Arsen, welches für den Menschen unproblematisch ist, es sei denn, jemand würde eine Schippe voll davon essen und mit Schwefelsäure hinterher spülen.
    Die Oberfläche des Dahme Nordufers einzuzäunen, halte ich insofern für übertrieben.
    Jedoch eine hohe Konzentration von gelösten Schadstoffen befindet sich jetzt in tieferen Schichten. In der ersten Grundwasserschicht wurden bis zu 400.000 Mikrogramm Arsen pro Liter nachgewiesen.
    Eine dicke Torfschicht dichtet es gut ab und verhindert die Ausbreitung des arsenhaltigen Wassers in die Dahme und in die zweite Grundwasserschicht.
    Darüber sollten wir sehr froh sein.

    Nun will die Firma Bauwert diese Torfschicht zwecks Pfahlgründung an vielen Stellen durchbohren.
    Ich halte das für ein unkalkulierbares Risiko.

  2. Ulrich Häusler
    10. Juli 2022 at 11:04

    Schlimm finde ich, dass es Politiker gibt, die den Kurs von Frau Homuth fortsetzen wollen. Konkret meine ich Herrn von Essen. Ein Weiter so, darf es in Wildau nicht geben. Es muss ein Schnitt gemacht werden. Und der geht nur mit Ungvari.

  3. Thomas Flieger
    10. Juli 2022 at 09:18

    @ Frank Kerber: Danke für die ausführliche und strukturierte Darstellung der Fakten rund um das Projekt am Dahme Nordufer!

    Für mich persönlich ist es völlig unverständlich, wie eine derartige Faktenlage dazu führt, einen ausgesprochen seriösen und sehr geschätzten Investor seit mehr als 3 Jahren trotz vorhandener klarer und eindeutiger rechtlicher Grundlagen zu blockieren. Weder die WiWo noch deren Gesellschafterin, die Stadt Wildau verfügt über Ressourcen aus diesem bald eingezäunten Gebiet etwas Nachhaltiges und für Wildau erforderliches zu schaffen. Bereits die Bürgermeister Richter und Malich haben das Bestreben gehabt und waren auf Investorensuche. Keiner der potenziellen Kandidaten hat sich dazu bekannt die Fläche zu dekontaminieren und nachhaltig zu entwickeln. Dieses unsägliche Spiel muss endlich aufhören und der Blick gemeinsam, wertschätzend und partnerschaftlich mit dem Investor, den maßgeblichen Stakeholdern der Stadt und des Landkreises nach vorne gerichtet werden.

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