Im Kreuzverhör: Klaus Schädel über Heinrich Jungebloedt

2. Februar 2016
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Heinrich Jungebloedt soll die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Schulzendorf verliehen werden. Bedenken eines Bürgers aus der Puschkinstraße stoppten im Dezember die Debatte über den Antrag im Gemeinderat. Der Bewohner warf Jungebloedt Nähe zum NS – Regime und dem DDR – System vor, was aus dessen Sicht gegen den Ehrentitel sprechen würde. Der Schulzendorfer wollte wissen, was an den Bedenken dran ist und sprach mit Klaus Schädel. Der gelernte Naturwissenschaftler forschte mehr als ein Jahrzehnt über das Leben Jungebloedts.

Herr Schädel, erklären Sie uns mit wenigen Worten, wer Heinrich Jungebloedt war?

Das war einer der bedeutendsten Mosaikkünstler, der über 20 Jahre in Schulzendorf eine Werkstatt leitete. Er schuf und restaurierte bedeutende Mosaike in Deutschland und nach dem Zweiten Weltkrieg in der gesamten ehemaligen DDR. Jungebloedt begründete die „Schulzendorfer Schule“, sie stellt das klassische, handwerkliche Mosaik in den Mittelpunkt der Gestaltung, nachdem sich zuvor immer stärker die industriell gefertigten Mosaike durchgesetzt hatten.

Geschichtsforscher Klaus Schädel: "Herr Jungebloedt war nie in einer Partei, er war durch und durch Künstler." (Foto:mwBild)

Geschichtsforscher Klaus Schädel: “Herr Jungebloedt war nie in einer Partei, er war durch und durch Künstler.” (Foto:mwBild)

Nun behauptet ein Bürger, Herr Jungebloedt hätte einen Auftrag für die Reichskanzlei erhalten. Er könne daher zum NS – Regime nicht politisch neutral gewesen sein. Das würde seiner Ehrenbürgerschaft entgegenstehen. Was sagen Sie dazu?

Diese Behauptung ist schlicht falsch. Die Firma Puhl und Wagner war zum damaligen Zeitpunkt praktisch die führende Firma in Europa, die auf Grund ihrer exponierten Stellung den Markt in Sachen Mosaike bestimmte. Hitlers Baumeister Speer erteilte Puhl und Wagner den Auftrag für den großen Mosaiksaal in der Reichskanzlei. Der Münchner Künstler Herrmann Kaspar hat den Entwurf erarbeitet. Jungebloedt war bei Puhl und Wagner angestellt. Seine Aufgabe war es, die Qualität der Arbeit der rund 35 Mitarbeiter im Setzersaal zu überwachen. Das sind die Fakten.

Was sagen Ihre Forschungen zur Frage, wie nahe stand Jungebloedt dem NS Regime wirklich?

Es gibt bislang keine Beweise, aber dafür eine Reihe von Indizien, die darauf hinweisen, dass Jungebloedt sich nicht mit den Nazis identifizierte. Jungebloedt war Teilnehmer des ersten Weltkrieges, er saß fünf Jahre in französischer Gefangenschaft. Bei Eintritt in die Armee hatte er ein gespaltenes Verhältnis zum Kriegsdienst. Es gibt Quellen, wo er sagt, er begreife nicht, mit welcher Begeisterung Leute in den Krieg gehen. Jungebloedt war Künstler durch und durch. Er lebte 24 Stunden für seine Mosaike. Politik war ihm einfach lästig.

Nun hat Jungebloedt in einer Firma gearbeitet, die für das NS – System Aufträge annahm. Ist da eine Art Regimenähe nicht zwangsläufig?

Die Firma Puhl und Wagner wurde wegen ihrer Aufträge oft von Nazileuten besucht. Es gibt eine Reihe von Bildern dieser Besuche, wo die gesamte Belegschaft der Firma angetreten ist. Interessanterweise fehlt auf diesen Bildern immer der künstlerische Leiter des Unternehmens: Heinrich Jungebloedt. Das ist für mich ein weiteres Indiz dafür, dass er versucht hat, Abstand zu den Nazis zu halten. Offener Widerspruch hätte ihn mit Sicherheit an die Ostfront gebracht und das wollte er auf keinen Fall. Jungebloedt hatte sich einen großen Namen bei der Mosaikgestaltung von Bädern gemacht. In der Zeit, als er Arbeit nach Vorschrift macht, will Hitlers Baumeister Speer, dass Jungebloedt das „Führerbad“ im Kaiserschloss in Posen baut. Ich habe den Briefverkehr zwischen Jungebloedt und dem verantwortlichen Architekt Böhmer studiert. Aus dem ging hervor, dass Hitler mit zunehmender Zeit immer unzufriedener über Jungebloedts Entwürfe wurde. Am Ende übernahm Jungebloedt den Auftrag nicht. Wieder ein Indiz dafür, dass er Distanz zum System hielt.

Wie bewerten Sie Behauptungen, die über Jungebloedt kursieren ?

Ich habe das Erforschen von Dingen gelernt. Fast 15 Jahre lang habe ich das Leben Jungebloedts untersucht. Ich habe alle verfügbaren Originalquellen studiert und ausgewertet, so dass eine Menge Wissen um die Person Jungebloedt existiert. Doch offenbar vertrauen einige Menschen und Gemeindevertreter fragwürdigen Quellen mehr als Ergebnissen wissenschaftlicher Methodik.

Sie meinen damit Wikipedia?

Zum Beispiel. Dort wird Jungebloedt unterstellt, er hätte beim Verdrängen des Halbjuden Gottfried Heinersdorff aus dem Unternehmen Puhl und Wagner eine Rolle gespielt. Wie diese Rolle aussehen soll, wird allerdings nicht gesagt. Jungebloedt hätte nie etwas gegen Heinersdorff unternommen. Er hat Jungebloedt entdeckt und war sein großer Förderer.

Ihr Fazit zu den Vorwürfen?

Angesichts des vorliegenden Wissens ist es absurd Herrn Jungebloedt die Nähe zum NS Regime vorzuwerfen. Aussagen, dass Künstler unter den Nazis nur dann weiter gearbeitet haben, wenn sie sich dem System gebeugt haben, sind schlicht Unsinn. Und ebenso absurd ist es, Jungebloedt als Getreuen des DDR – Systems zu klassifizieren, weil er unter anderem im Besitz eines Telefons war. Wenn er Staataufträge bekam, war das seinen überdurchschnittlichen Fähigkeiten geschuldet.

Was raten Sie Abgeordneten, die angesichts der erhobenen Bedenken unschlüssig in ihrer Entscheidung sind?

Wenn Wissen vorhanden ist, muss man es nutzen. Deshalb erwarte ich von jedem Verantwortlichen, der vor einer Entscheidung steht, dass er vorhandenes Wissen für seinen Entschluss nutzt.

Jungebloedts wird oft mit Eichwalde und Berlin in Zusammenhang gebracht. Grund genug, dass Abgeordnete fragen, warum muss er dann Ehrenbürger von Schulzendorf werden?

Die Karl – Liebknecht – Straße 55 in Schulzendorf ist der primäre Ort, wo seit 1945 bis 1976 all seine Werke entstanden sind. Eine riesige überzeugende Auswahl sind in Schulzendorf entstanden, das anzuerkennen bereitet einigen Abgeordneten offensichtlich Probleme.

Nun gibt es auch Gemeindevertreter, die meinen, Jungebloedt hätte das Ansehen Schulzendorfs nicht gefördert. Was sagen Sie denen?

Das ist für mich auf Grund der Faktenlage nicht mehr nachvollziehbar.

One Response to Im Kreuzverhör: Klaus Schädel über Heinrich Jungebloedt

  1. Karo
    3. Februar 2016 at 10:54

    Was sagen seine Nachkommen zu dem Vorschlag? Sie müssten doch auch über seine Vergangenheit Auskunft geben können! Das INTERNET gibt doch auch Auskunft siehe “Essen”

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