Hinkender Schallschutz: FBB sieht Mitschuld bei den Betroffenen!

20. März 2012
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Viele Schulzendorfer Lärmbetroffene werden mit Eröffnung des Hauptstadtflughafens völlig schutzlos dem Lärm von startenden und landenden Jets ausgesetzt sein. Daran bestehen inzwischen keine Zweifel mehr.

Insgesamt gibt es 25.000 schallschutzberechtigte Wohneinheiten. 13.000 Betroffene haben Anträge auf Schallschutzmaßnahmen gestellt und rund 4.000 Kostenerstattungsvereinbarungen wurden unterschrieben. 1.300 Schallschutzmaßnahmen, das sind lediglich 5 Prozent aller Schallschutzberechtigten wurden bislang realisiert.

Viele Lärmbetroffene werden mit Eröffnung des Flughafens ohne ausreichenden Schallschutz da stehen. (Foto: Wolff)

Die Situation in Schulzendorf ist äquivalent. Per 31.12.2012 lagen für 915 Wohneinheiten vollständig formelle Anträge bei der Flughafengesellschaft vor. Doch bislang haben nur Eigentümer von 274 Wohneinheiten eine Kostenerstattungsvereinbarung unterzeichnet, in rund 80 Wohneinheiten wurden Lüfter und Schallschutzfenster eingebaut.

Schulzendorfs Gemeindeoberhaupt gibt sich angesichts der schleppenden Umsetzung der Schallschutzmaßnahmen rat- und machtlos: „Als Bürgermeister der Gemeinde Schulzendorf habe ich keine Möglichkeiten, Einfluss auf die Umsetzung von Schallschutzmaßnahmen an privaten Gebäuden auszuüben.“

Doch warum hinken die Schallschutzmaßnahmen eigentlich derart hinterher?

Am letzten Donnerstag fand eine Anhörung des Verkehrsausschusses im Brandenburger Landtag statt, in der Fragen zu den Problemen bei der Umsetzung des Schallschutzes im Mittelpunkt standen. Die Vertreter der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg GmbH (FBB) schoben den Schwarzen Peter den Bürgern zu. Sie würden nicht ausreichend mitwirken, rund 9.000 Betroffene hätten ihre KEV nicht unterschrieben an die Flughafengesellschaft zurückgesandt. Damit sind die Bürger selber schuld, wenn sie mit Beginn des Flugbetriebes in Schönefeld unzureichend geschützt sind.

Dieser Argumentation folgt der Gemeindevertreter des BürgerBündnisses Gernut Franke nicht. „Die Betroffenen sind völlig verunsichert und zögern deshalb mit der Unterschrift, weil bekannt ist, dass die beauftragten Ingenieurbüros nicht nach einheitlichen Kriterien arbeiten. Die Folge ist, dass baugleiche Häuser oft unterschiedlichen Schallschutz bekommen sollen.“, resümiert Franke.

Der fraktionslose Brandenburger Landtagsabgeordnete Christoph Schulze. (Foto: Wolff)

Außerdem sind sich viele Betroffenen nicht sicher sind, ob sie tatsächlich den Schallschutz bekommen, der ihnen rechtlich zusteht. Denn die Flughafengesellschaft geht in ihren Schallschutzberechnungen davon aus, dass pro Tag der Maximalpegel von 55 dB (A) in geschlossenen Räumen sechsmal überschritten werden darf. Und das, obwohl im Planfeststellungsverfahren festgelegt ist, dass am Tage bei geschlossenen Fenster 55 dB(A) nicht überschritten werden dürfen.

So sind Fälle aus Schulzendorf und Bohnsdorf bekannt, wo Lärmbetroffene, die in unmittelbarer Nähe der Einflugschneise leben, lediglich einen Schalldämmlüfter erhalten sollen. Weil das ihrer Ansicht nach nicht mit rechten Dingen zugehen kann unterschreiben sie die Kostenerstattungsvereinbarung nicht. Denn mit ihrer Unterschrift würden sich die Bürger auch damit einverstanden erklären, dass mit der durchgeführten Schallschutzmaßnahme alle Ansprüche abgegolten sind.

Der fraktionslose Abgeordnete des Brandenburger Landtags, Christian Schulze kritisiert die Sicht der Flughafengesellschaft, die ihre Wirkung auf viele Parlamentarier nicht verfehlt hat. „Viele Abgeordnete im Landtag Brandenburg glauben aber lieber der Version des Flughafens und der Landesregierung, dass der Flughafen und die Landesregierung alles getan hätten, was denkbar und möglich war, dass es an den Bürgern läge und diese von örtlichen Politikern, Vereinen oder Aktivisten nur aufgewiegelt seien.“, so Schulze.

Um gegenteilige Fakten zu sammeln startete der Landtagsabgeordnete einen Aufruf an die Betroffenen: „Schreiben Sie mir in einem Brief die Geschichte Ihrer Kostenerstattungsvereinbarung zum Schallschutz! Schreiben Sie auf, wie es gelaufen ist, wo die Probleme waren. Schreiben Sie, warum Sie unterschrieben haben und ob sie zufrieden sind oder warum sie nicht unterschrieben haben, was die Gründe dafür sind und was sie fordern und erwarten. Ich werde diese Briefe im Landtag in die Rechtsform der Zuschrift bringen, so dass sie allen Abgeordneten bekannt werden und sich keiner mehr rausreden kann oder irgendwelche Geschichten glauben muss, warum es mit den Kostenerstattungsvereinbarungen nicht vorwärts geht.“

Die Anschrift von Christoph Schulze lautet: Bahnhofstraße 25, 15806 Zossen.

 

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2 Responses to Hinkender Schallschutz: FBB sieht Mitschuld bei den Betroffenen!

  1. drb
    20. März 2012 at 18:24

    Mal abgesehen davon, daß Schallschutz für die nicht von den direkten Überflügen besonders übel Betroffenen nur für Schlafräume und dort in der Regel nur mit lächerlichen Lüftern genehmigt wird:
    1. Wieso gibt es den überhaupt, sollte ein echtes Nachtflugverbot kommen?
    2. Wieso denken alle Leute nur an Nachtschlaf? Ist es nicht viel schlimmer, daß man seine grüne Oase bei entsprechender Windrichtung kaum noch nutzen kann?

    Bei mir kam ein Herr vom Ingenieurbüro, sah, daß wir recht neue Fenster haben, aber keine Betondecke, sondern nur Mineralwolle. Der sah auch ein, daß zumindest über den zwei Schlafräumen da etwas gemacht werden müßte. Telefonierte mit seinem Chef, nickte und ein paar Monate später bot man uns einen dieser schicken von uns selbst zu wartenden Lüfter mit Aufputzinstallation an. Protest: Wir wissen von nichts. Ergebnis: Keine Unterschrift wie die 90% anderen, die man hier verklapsen will.
    Einen (sehr geringen) finanziellen Ausgleich für den Außenbereich gibt es nur in einem ganz schmalen Bereich (wenige 100m in Sch’df), der auch noch so kurz ist, daß man z.B. schon in Müggelheim, wo man bei den Landungen sein eigenes Wort im Freien nicht mehr verstehen kann, nichts mehr bekommt.

    Die ganze Schallschutzkonzeption ist kleinlich, undurchsichtig, gelegentlich auch willkürlich. Nur eins scheint klar zu sein: Die Lautprotestierer aus den neu betroffenen Gebieten werden kaum Lüfter bekommen. Merkwürdig ist auch wofür die angeblich 140 Mio€ eigentlich ausgegeben werden. Bei angegebenen 25T Betroffenen wären das pro Antragsteller (wenn alle Anträge stellen würden) immerhin 5600€ pro Haus.
    Alles überaus merkwürdig. Haben etwa die Ingenieurbüros pro Antragsteller weitaus mehr geschluckt als die von ihnen gelegentlich bewilligten Lüfter? Die vielen Seiten Papier legen diesen Schluß sehr nahe.

  2. Tiefflieger
    Tiefflieger
    20. März 2012 at 10:35

    Interessant ist die Sichtweise von Herr Bürgermeister Mücke und dem Abgeordneten Herrn Schulze. Der eine sagt ich kann nichts tun, der andere schreitet voran.

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