Großes Reif-Interview: Der Grünen Frontmann sagt Ade!

12. Januar 2024
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Nach zwei Jahrzehnten politischer Arbeit für die Gemeinde Zeuthen wird Professor Jonas Reif seine Amtszeit beenden. Der Schulzendorfer sprach exklusiv mit ihm über seine Erfolge, seine Niederlagen, über Beate Burgschweiger, Sven Herzberger, den NABU und über die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen FDP und Grünen.

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Im Juni 2024 finden Kommunalwahlen in Brandenburg statt. Wie sind die Grünen aufgestellt?

Prof. Jonas Reif: Noch sind keine Listen aufgestellt worden. Ich gehe aber davon aus, dass wir den Wählern in allen nördlichen Dahmeland-Kommunen ein gutes Angebot machen können. Unsere Mitgliederzahlen sind in den letzten Jahren angestiegen. Selbst in Wildau, wo wir in der Vergangenheit schwach waren, haben wir inzwischen eine gute Basis.

Foto: mwBild

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Werden Sie wieder als Zugpferd der Grünen in Zeuthen antreten?

Prof. Jonas Reif: Nein. Nach mehr als zwanzig Jahren in der Kommunalpolitik habe ich mich entschlossen, erst einmal eine Pause einzulegen. Einerseits finde ich es gut, mal etwas Abstand zu bekommen, andererseits möchte und brauche ich familiär wie beruflich mehr Zeit. Zwei unserer vier Kinder sind noch klein und als Studiengangsleiter bin ich neben meinen Lehraufgaben in den kommenden Jahren wesentlich für die Reakkreditierung unserer Studiengänge verantwortlich.

Eine Zeuthener Kommunalpolitik ohne Jonas Reif kann man sich kaum vorstellen

Prof. Jonas Reif: Ich habe mich immer gerne vor Ort engagiert. Ich bin hier aufgewachsen und übernehme gerne Verantwortung. Es soll auch nicht heißen, dass ich in den nächsten Jahren gar nicht mehr mitwirken will. Nur nicht in erster politischer Reihe.

Was hat sie damals bewogen, bei den Grünen politisch tätig zu werden?

Prof. Jonas Reif: Einerseits die familiäre Prägung. Mein Vater hat sich 1990 mit einem Ingenieurbüro mit dem passenden Namen „rationelle Energieverwendung“ gemacht. Er hat für den damaligen Kreis Königs Wusterhausen ein erstes Gutachten zur Nutzung erneuerbarer Energien erstellt. Andererseits liegen mir auch zwei andere Kernthemen der Grünen sehr am Herzen: Die pazifistische Grundhaltung und der Einsatz für Gleichberechtigung.

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Bäume pflanzen ist keinesfalls ein Kinderspiel. Unter Anleitung des Landschaftsarchitekten Prof. Jonas Reif wurden ab 2019 über 100 Bäume gepflanzt, die der Wissenschaftler aus eigener Tasche finanziert hatte. (Foto: mwBild)

Bäume pflanzen ist keinesfalls ein Kinderspiel. Unter Anleitung des Landschaftsarchitekten Prof. Jonas Reif wurden ab 2019 über 100 Bäume gepflanzt, die der Wissenschaftler aus eigener Tasche finanziert hatte. (Foto: mwBild)

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Dann müssten Sie doch mit der aktuellen Bundespolitik der Grünen sehr hadern? Führende Grünen-Politiker wie Herr Hofreiter fordern immer mehr Waffen für die Ukraine.

Prof. Jonas Reif: Ich bin 1998/99 zu den Grünen gekommen. Damals gab es heftige Auseinandersetzungen innerhalb der Partei, ob man den NATO-Einsatz im Kosovo unterstützen kann. Als junger Mensch, der selber den Wehrdienst verweigert hat, hat mich dies sehr nachdenklich gemacht. Letztlich war der Einsatz aber notwendig, um ein Massaker wie 1995 in Srebrenica zu verhindern. Es ist leider eine naive Vorstellung, dass man einseitig Frieden und Gewaltverzicht erklären kann. Wenn ein Land wie die Ukraine überfallen und an militärischen Konflikten vollkommen unbeteiligte Personen sterben, ist für mich das bisherige Handeln der Bundesregierung vollkommen berechtigt. Bis kurz vor Kriegsausbruch hat eben jene Regierung auch versucht, den Konflikt diplomatisch beizulegen. Und ich bin mir sicher, dass man auch hinter den Kulissen jeden Weg sucht, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Zugegebenermaßen hatte ich gehofft, dass mehr Länder diplomatisch auf Putin einwirken, aber die Vorteile, die diese Länder durch den Krieg haben, scheinen größer zu sein.

Warum sind Sie nicht in die Landes- oder Bundespolitik eingestiegen?

Prof. Jonas Reif: Ich habe großen Respekt vor dem Beruf „Politiker“. In der Bevölkerung wird das oft anders gesehen, aber wer einmal den Einblick hatte, was damit vor allem auch zeitlich verbunden ist, wird vielleicht seine Meinung ändern. Zur Jahrtausendwende habe ich unter anderem mit Michael Kellner, heute Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, die Grüne Jugend Brandenburg gegründet. Ich habe die Entwicklung von Benjamin Raschke, heute Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, und Annalena Baerbock, die hier auch mehrfach in der Region vor Ort war, miterlebt. Mich haben aber spezielle fachliche Themen mehr interessiert. Deshalb habe ich auch nicht Politik studiert. Ich bin auch kein „Machtmensch“, den in der „großen Politik“ man in gewisser Weise sein muss. Außerdem kann man in der Kommunalpolitik als Einzelner am meisten bewirken.

Welche Bilanz ziehen Sie selbst aus 21 Jahren Kommunalpolitik?

Prof. Jonas Reif: Es gab immer wieder Zeiten, in denen ich frustriert war. Vor allem, wenn wichtige Projekte nicht vorangingen, etwa die Kita in Miersdorf oder das Multifunktionsgebäude an der Grundschule. An anderen negativen Dingen hat die Gemeinde kaum Einflussmöglichkeiten, etwa die allseits gewünschte Bahnunterführung oder der unendliche Bau des Fußgängertunnels am S-Bahnhof, der die Miersdorfer Chaussee als Einkaufsstraße ruiniert hat. Auch, dass man ausführende und planende Unternehmen wegen der eindeutig vermeidbaren Wurzelschäden am Sportplatz Schulstraße nicht in Regress genommen hat und die Gemeinde selbst die sechsstellige Sanierung bezahlen muss, ärgert mich noch immer.

Und dennoch überwiegen in der Gesamtschau positive Entwicklungen. Zeuthen ist nach wie vor ein sehr grüner Ort. Die Qualität der Wälder hat sich seit 1990 deutlich verbessert, der Baumbestand in den Straßen ist einer der besten in ganz Deutschland – das mag etwas überheblich klingen, aber ich bin diesbezüglich ständig sehenden Auges unterwegs. Der Naturschutz konnte wiederbelebt werden. Mit den Beschlüssen der letzten zwei Jahre werden wir endlich auch einen eigenen, größeren Beitrag zur Nutzung erneuerbarer Energien auf kommunalen Dächern leisten. Radwege werden 2024 in größerem Maß gebaut. Wir können jedem Kind einen Kita- und Hort-Platz anbieten. Unsere Schulen gehören trotz der noch bestehenden, aber hoffentlich zeitnah behobenen Raumnöte zu den besten im Landkreis – gleiches gilt für unsere Freiwillige Feuerwehr. Und Mitte 2024 wird die Gemeinde Zeuthen – wenn nichts mehr dazwischenkommt – schuldenfrei sein.

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Jonas Reif zur Fällung der Bäume in der Seestraße: "Natürlich werde ich heulen. Aber Sentimentalität macht uns in diesem Fall nicht zukunftsfähig." (Foto: mwBild)

Jonas Reif zur Fällung der Bäume in der Seestraße: “Natürlich werde ich heulen. Aber Sentimentalität macht uns in diesem Fall nicht zukunftsfähig.” (Foto: mwBild)

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Sie waren langjähriger Fraktionsvorsitzender, auch zusammen in einem Bündnis mit der FDP, und zeitweise Vorsitzender der Gemeindevertretung. Wieviel „grüne Politik“ konnten Sie durchsetzen?

Prof. Jonas Reif: Parteipolitik spielt auf lokaler Ebene keine Rolle, zumindest nicht bei den Grünen. Natürlich gibt es Grundwerte, die man als Parteimitglied teilt, aber es gibt keine Vorlagen aus der Landespolitik, die vor Ort umgesetzt werden müssen. Der Gemeinderat ist ein Abbild der örtlichen Gesellschaft. Es ist wichtig, dass man miteinander gemeinsame Ziele auslotet. Das hat in Zeuthen meist auch gut funktioniert.

Ihre Kompromissfähigkeit hat Ihnen auch immer wieder Kritik eingebracht, unter anderen aus dem NABU, dem Sie selbst angehören.

Prof. Jonas Reif: Kompromisse sind in der Politik von größter Bedeutung, wenn Entscheidungen eine möglichst breite Akzeptanz finden sollen. Sie sind oft nicht beliebt, weil jeder nachgeben muss. Ich habe ein volles Verständnis für den NABU, wenn er 100 Prozent Naturschutz einfordert. Als Gemeindevertreter habe ich aber weit mehr zu berücksichtigen. Beispiel Edeka in Miersdorf. Mir würde der bisherige Markt auch ausreichen, wenn dieser sich aber zukünftig nicht mehr rentiert – und soweit muss man Gewerbetreibenden auch vertrauen -, dann ist mir ein neuer großer Markt im Ortszentrum wichtiger als keiner. Die Zeit der kleinen Ladengeschäfte, die früher Ortszentren ausgemacht haben, ist vorbei. Was einige bei dieser Entscheidung, die wir uns keineswegs einfach gemacht haben, nicht sehen oder wertschätzen wollen: Der größte Teil der Wiese bleibt dauerhaft erhalten, der Markt samt Parkplätzen wurde deutlich geschrumpft. Auch der letzte Abschnitt des Zeuthener Winkels war kein Thema, was wir Grünen gewollt haben. Leider hatte man hier schon mit Entscheidungen vor meiner Zeit Grundlagen gelegt, wie beispielsweise dem Flächennutzungsplan, den Aufstellungsbeschluss zum B-Plan, die uns maximal die Möglichkeit zur Verzögerung des Projektes gegeben hätten. Insofern habe ich mich dafür eingesetzt, hier möglichst sinnvolle Plan-Festsetzungen zu erreichen. Der neue Bauabschnitt wird definitiv „grüner“ als die vorherigen. Zudem kann hier zeitnah eine zweite Grundschule errichtet werden. Auch auf die Fällung einer größeren Waldfläche an anderer Stelle wird dadurch verzichtet. Das war der schwierigste Kompromiss, den wir in den vergangenen Jahren gefunden haben, und ich bin allen dankbar, die daran mitgewirkt haben.

Die Diskussion um den Schulstandort war eine der größten Streitigkeiten im Gemeindeparlament

Prof. Jonas Reif: Ja. Sie hat dem Ort aber weniger geschadet, als viele annehmen. Der Bau einer zweiten Grundschule war bislang an ganz anderen Stellen nicht vorwärtsgekommen. Zum Glück haben wir die ganze Zeit die Option Zeuthener Winkel vorangetrieben, so dass weder ein zeitlicher noch finanzieller Verlust entstanden ist. Politik muss sich auch revidieren können, wenn man merkt, dass die ursprüngliche Entscheidung nicht optimal war. Wenn ich einen Rat an zukünftige Gemeindevertreter geben darf: Versuchen Sie, breite Mehrheiten für Projekte zu finden! 11:10 Abstimmungen, wie wir sie in dieser Wahlperiode mehrfach hatten, sorgen dauerhaft für Spannungen.

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Besichtigung des möglichen Schulstandortes im "Zeuthener Winkel", v.l. Jonas Reif, Sven Herzberger, Jörg Jenoch, Andreas Körner (Foto: mwBild)

2019: Besichtigung des möglichen Schulstandortes im “Zeuthener Winkel”, v.l. Jonas Reif, Sven Herzberger, Jörg Jenoch, Andreas Körner (Foto: mwBild)

Auch innerhalb der Grünen-Fraktion gab es Streitigkeiten. Christine Wehle hat die Grünen-Fraktion verlassen und sich der SPD angeschlossen

Prof. Jonas Reif: Das war für alle die beste Entscheidung. Uns einen noch immer die „großen Ziele“, aber hinsichtlich des Weges gab es immer wieder Differenzen. Manchmal ist es tatsächlich einfacher, mit einem „politischen Gegner“ zusammenzuarbeiten.

Sie spielen auf das ungewöhnliche Bündnis mit der FDP an

Prof. Jonas Reif: Ja. Sowohl Knut-Michael Wichalski als auch Karl Uwe Fuchs waren immer sehr verlässliche Partner, auch wenn unsere Weltanschauung nicht gänzlich gleich war. Uns einte immer, dass wir etwas voranbringen wollen. Bei solchen Partnerschaften können alle partizipieren, wenn man jedem sein Revier überlässt oder intern Kompromisse findet. Und ganz ehrlich: Karl Uwe Fuchs möchte ich nicht als Gegner haben.

Haben Sie vor ihm Angst?

Prof. Jonas Reif: Nein. Er hat einfach politisches Talent. Eine Auseinandersetzung mit ihm wäre unnötig kräftezehrend. Im Ernst: Man konnte mit ihm sehr gut politische Ziele umsetzen. Wir haben Gemeinsamkeiten ausgelotet und dann angepackt. Da hat jeder seine Stärken eingebracht. Bestes Beispiel war der von uns initiierte Einwohnerantrag zur Festwiese Miersdorf. Kurioser Weise resultierte diese Vorgehensweise aus einem meiner größten Irrtümer.

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Michael Wolter, Nadine Selch, Sven Herzberger, Karl Uwe Fuchs und Jonas Reif (v.l.), Foto: mwBild

Michael Wolter, Nadine Selch, Sven Herzberger, Karl Uwe Fuchs und Jonas Reif (v.l.), Foto: mwBild

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Inwiefern Irrtum?

Prof. Jonas Reif: Zum Ende der Kubick-Ära haben wir mit einer großen Delegation unsere Partnergemeinde Interlaken besucht. Mir kam das zunächst als „Lustreise“ vor. Vor Ort konnte man dann aber wirklich viel lernen. Auch dort gibt es eine große zentrale Festwiese. Und natürlich wird in der Schweiz die Bevölkerung stärker in Entscheidungen einbezogen.

Gab es andere Momente, die Sie besonders in Erinnerung behalten?

Prof. Jonas Reif: Ja, einen sehr schönen und einen, auf den ich verzichten hätte können.

Dann fangen wir mal mit dem Positiven an: Ende 2016 wurde bekannt, dass die Verwaltung die beliebte Senioren-Weihnachtsfeier nicht durchführen wird. Damals habe ich zusammen mit Nadine Selch (CDU) innerhalb kürzester Zeit die Feier in der Mehrzweckhalle organisiert. Sie war ein großer Erfolg, auch dank der Beteiligung von vielen lokalen Vereinen und Initiativen.

Und was war der Tiefpunkt?

Prof. Jonas Reif: Im Februar 2022 las ich in der Märkischen Allgemeinen, dass sich der Bürgermeister über den NABU und speziell über mich beschwerte. Unabhängig davon, dass die Kritik nur teilweise berechtigt war, hätte ich mir gewünscht, dass sich Sven Herzberger, mit dem ich sonst regelmäßig im Kontakt stand, mich persönlich nach den Hintergründen des Pflegeeinsatzes im Kienpfuhl befragt hätte. Dabei hätte man bereits viel aufklären können. Er hat sich entschuldigt, ich bin nicht nachtragend und wünsche ihm nun als Landrat viel Erfolg.

Daran anknüpfend: In ihrer Zeit haben sie drei Bürgermeister erlebt. Welches Verhältnis hatten Sie zu ihnen?

Prof. Jonas Reif: Klaus-Dieter Kubick war taktisch ausgesprochen klug. Man könnte auch sagen: Er war ein kleines Schlitzohr – das meine ich positiv. Ich werde nie vergessen, wie der China-Bewunderer Kubick den Gemeindevertretern die Sinnhaftigkeit eines Chinesischen Garten eingeredet hat. Es war ein teures „Abschiedsgeschenk“, andererseits hat Zeuthen dadurch etwas Besonderes bekommen.

Die Erwartungen an einen Neuanfang, ähnlich wie nach der Kohl-Ära, waren bei Beate Burgschweiger groß – vielleicht zu groß. Sie hat sich zu häufig in Dinge verkämpft und Gemeindevertreter nicht ausreichend „mitgenommen“. Am Ende war das Verhältnis ziemlich zerrüttet. Ich habe dennoch Anerkennung für Ihre Amtszeit. Auch, dass sie von sich aus bereit war, keine zweite Amtszeit in Erwägung zu ziehen, verdient Respekt. Die Verwaltung befand sich damals in einem großen personellen Wandel, wichtige Amtsleiter aus der Zeit nach 1990 gingen in den Ruhestand. Sie hat den Weg zu einem modernen Zeuthen gelegt.

Sven Herzberger fiel es leichter, seine Arbeit und Projekte verbal zu verkaufen. Er hat auch – was die Zusammenarbeit mit der Gemeindevertretung anging – für „klare Verhältnisse“ gesorgt. Seine Vorliebe galt Themen, die man juristisch betrachten und vertreten konnte – da kam dann doch der Anwalt durch. Vielleicht war es ausgerechnet die Corona-Zeit, die in seiner Amtszeit zu großen Fortschritten in puncto Bürgerbeteiligung und Transparenz führte: Sitzungen der Gemeindevertretungen finden seitdem online statt. Die Bürger können Gemeindepolitik am Bildschirm verfolgen und Fragen stellen.

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2023: Jonas Reif im Gespräche mit Zeuthenern beim Bürgeraufstand gegen das Bummelprojekt S-Bahnhof der Deutschen Bahn.

2023: Jonas Reif im Gespräche mit Zeuthenern beim Bürgeraufstand gegen das Bummelprojekt S-Bahnhof der Deutschen Bahn.

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In dieser Hinsicht ist Zeuthen kreisweit immer noch ein Vorbild

Prof. Jonas Reif: Die Möglichkeit der Online-Teilnahme hat es uns auch als Gemeindevertretung ermöglicht, über die gesamte Corona-Zeit handlungsfähig zu bleiben. Anfänglich gab es mit der Kommunalaufsicht noch kleinere „Scharmützel“, wie zu solchen Sitzungen eingeladen werden kann und ob Zoom zulässig wäre. Letztlich haben sogar Zeuthener Innovationen in die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg Einzug gehalten. Als Vorsitzender der Gemeindevertretung war das für mich eine belastende Zeit, weil ich mehrfach zu Sitzungen erneut einladen musste.

Gemeinderats- und Fachausschuss-Sitzungen finden bis heute als sogenannte Hybrid-Sitzungen statt. Nur so war es überhaupt möglich, dass zwei Mitglieder meiner Fraktion in den vergangenen Jahren „nebenbei“ Kinder bekommen konnten und nicht auf ihr Mandat verzichten mussten. Eine derartige Vereinbarkeit von kommunalpolitischer Mitwirkung und Familie war vorher undenkbar!

Was war ihr größter Fehler?

Prof. Jonas Reif: Wir haben uns mehrfach über „einsame“ Entscheidungen von Beate Burgschweiger geärgert. Dazu gehörte auch die Aufstellung einer Kuh-Skulptur hinter dem neuen Bürgerhaus am Bahnhof. Ich habe damals aus einer Laune heraus den Vorschlag gemacht, symbolisch die Kuh auf den Namen „Beate“ zu taufen. Das fand bei meinen Mitstreitern so viel Zustimmung, dass wir es wirklich gemacht haben. Immerhin hat Beate Burgschweiger cool reagiert: „Beate“ würde ja „die Glückliche“ bedeuten.

Wo sehen Sie Zeuthen im Vergleich zu anderen Kommunen stehen?

Prof. Jonas Reif: Eine schwierig zu beantwortende Frage. Wenn ich die vielen Sandstraßen, den noch immer fehlenden Tunnel, die ungeklärte Wiedereröffnung des S-Bahn-Zugangs und den Zustand der Miersdorfer Chaussee sehe, liegt noch viel Arbeit vor uns. Auch die Frage, wie es mit dem kommunalen Wohnungsbestand weitergeht, von dem die Gemeinde in den letzten zwei Jahrzehnten nicht unwesentlich „gelebt“ hat, bleibt spannend. Die Wärmewende macht hier zwangsläufig große Investitionen notwendig. Eine stärkere Zusammenarbeit der ZEWS-Kommunen würde ich mir nicht nur bei diesem Thema wünschen. Hier ist zuletzt etwas der „Drive“ verloren gegangen.
Aus Umweltschutzsicht macht mir vor allem die Wasserqualität und Wasserhaltung in der Landschaft Sorgen. Wir werden den Klimawandel nicht vor Ort aufhalten können, aber wir müssen uns einfach an diesen anpassen.

Sie sind die ganzen Jahre Optimist geblieben. Was stimmt Sie für die Zukunft positiv?

Prof. Jonas Reif: Ich kenne einige, die sagen, dass es in Zeuthen früher besser war. Ich kann entgegnen: Auch heute gibt es vieles, was wirklich toll ist. Wir haben viele Vereine und eine Freiwillige Feuerwehr, die für ein lebendiges Miteinander sorgen. Einige wurden in den letzten Jahren erst aktiv oder wiederbelebt, etwa der Kulturverein, der NABU, B.L.i.Z oder WIND. Großen Respekt verdient auch Marius Langas und seine Open-Streets-Initiative, die genau dort aktiv wurde, wo die Gemeinde schwach war. Und mit Dirk Schulz hat Zeuthen einen der profiliertesten (und erfolgreichsten) Vertreter in der Fluglärmkommission. Das ehrenamtliche, gesellschaftliche Engagement ist in Zeuthen wirklich super und wird hoffentlich nicht nachlassen. Sollte Philipp Martens Bürgermeister werden, wäre die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Bürgern, Verwaltung und Gemeindevertretung gelegt. Nadine Selch halte ich für eine bessere Gemeindevertreterin, die hoffentlich genauso engagiert bleibt, wie ich sie kenne und schätze.

3 Responses to Großes Reif-Interview: Der Grünen Frontmann sagt Ade!

  1. Oliver Zeisig
    14. Januar 2024 at 16:42

    Sie wissen doch wenig über die Entwicklung der Gemeinde Zeuthen und über Herrn Reif. Ich rate Ihnen, zusammen mit Opa Almus die PdG, die Partei der Gestrigen zu gründen. Schreiben Sie mit ihm jede Woche Petitionen, die niemand mehr für voll nimmt. Sie machen sich zum Gespött der Stadt.

  2. Dr. Dieter Füting
    14. Januar 2024 at 15:20

    Es ist ein Interview, wie es die MAZ nicht besser kann. Herr Reif, ein wirklicher Held der kommunalen Politik.
    Leider auch zu dick aufgetragen. Und diese schrecklichen Lobpreisungen erst. Mit ist richtig schlecht geworden.

  3. ProSchulze
    13. Januar 2024 at 12:53

    Keine Macht den Kriegstreibern, weder von gestern noch von heute!
    Mit Ihrer Aussage zur, durch Scharping-Lügen (serbische Konzentrationslager, Hufeisenplan) legitimierten, 1. Deutschen Kriegsbeteiligung nach dem 2. Weltkrieg haben Sie sich nachhaltig diskreditiert Herr Reif!

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