Nach dem Gang der mündlichen Verhandlung konnte die Entscheidung des BVerwG kaum noch überraschen. Das BVerwG bestätigte das vom VGH Kassel verfügte Nachtflugverbot für den Frankfurter Flughafen in der Zeit zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr. Die Begründung dieser Entscheidung liegt in der hessischen Landesplanung, genauer gesagt in der Änderung zum Landesentwicklungsplan aus dem Jahre 2007. Dort formulierte die hessische Landesregierung den Grundsatz, dass in dem Verfahren nach dem LuftVG – gemeint war das Verfahren betreffend die Erweiterung des Flughafens Frankfurt/Main – aus Rücksichtnahme auf die besonders schutzbedürftige Nachtruhe der Bevölkerung ein umfassender Lärmschutz in den Kernstunden der Nacht von herausragender Bedeutung sei.
Den ausführlichen Entscheidungsgründen der vorangegangenen Entscheidung des VGH Kassel kann man insoweit entnehmen, dass dieser Grundsatz unmissverständlich die sogenannte Mediationsnacht im Blick hatte, wonach zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr kein Flugbetrieb stattfinden sollte. Das BVerwG folgte offenbar der Auffassung des VGH Kassel, dass weder das Land, noch die Flughafengesellschaft hinreichende Gründe dargelegt hatten, die geeignet waren, den vorbenannten Abwägungsgrundsatz zu überwinden.
Was ergibt sich hieraus für die Berliner Situation?
Die Entscheidung des BVerwG belegt, dass es im Rahmen der Landesplanung und damit auf Grundlage politischer Grundsatzentscheidungen möglich ist, für die luftverkehrliche Planfeststellung Abwägungsgrundsätze zugunsten der Nachtruhe der Bevölkerung, insbesondere in der Kernzeit, aufzustellen. Der vorstehend beschriebene Grundsatz in der hessischen Landesplanung verstärkten nämlich die gesetzliche Regelung des § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG in der Weise, dass gegenläufige Belange nicht mehr geeignet waren, den Schutz der Nachtruhe in der Zeit zwischen 23.00 Uhr und 5.00 Uhr zu überwinden. Eine solche, die Nachtruhe der Bevölkerung schützende Regelung haben die Länder Berlin und Brandenburg in „ihrem“ Landesentwicklungsplan zum Ausbau des Flughafens Berlin – Schönefeld nicht nur verabsäumt, sondern bewusst unterlassen. Die politisch Verantwortlichen in Berlin und Brandenburg waren lediglich bereit, in den Landesentwicklungsplan eine butterweiche Formulierung aufzunehmen, wonach alle rechtlichen Anforderungen, Lärmbeeinträchtigungen durch den Betrieb des Flughafens zu vermeiden und unvermeidbare Lärmbeeinträchtigungen auf ein Mindestmaß. zu beschränken, im Rahmen der geltenden Vorschriften auszuschöpfen seien (Grundsatz G9 LEP FS).
Hierzu erklärte das BVerwG in seiner Schönefeld-Entscheidung vom 13. Oktober 2011, dass der so formulierte Grundsatz keine strengeren Anforderungen an die Zurückstellung der Lärmschutzbelange in der Abwägung stelle als § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG.
Im Ergebnis ist also herauszustellen, dass die hessische Landesregierung damals bereit war, dem Schutz der Nachtruhe eine herausragende Bedeutung zuzumessen, während die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg hierzu nicht bereit waren. Dass die hessische Landesregierung diese Festlegung später unter Umständen bereut haben mag, steht auf einem anderen Blatt. Neben der landesplanerischen Besonderheit in dem Ausbauverfahren des Flughafens Frankfurt/Main hat das BVerwG seine Rechtsprechung zum Flugbetrieb in der Nachtrandzeit weiter konkretisiert. Das BVerwG hat am Flughafen Frankfurt/Main 133 Flüge in der Nachtrandzeit zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr und 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr als zulässig erachtet. Dabei hat das BVerwG seine Rechtsprechung aus der Entscheidung Schönefeld II fortgesetzt, indem es erneut formulierte, dass der Flugverkehr in der Nacht abschwellen bzw. in der Zeit von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr anschwellen muss, sodass der Nachtflugverkehr keine bloße Verlängerung des Tagflugbetriebes darstellt.
Hinsichtlich der vorbenannten Punkte und des Schutzkonzepts bezogen auf gewerbliche Einrichtungen hat das BVerwG den Planfeststellungsbeschluss aufgehoben und das Land Hessen zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts verpflichtet. Weitere Einzelheiten wird man insoweit erst erörtern können, wenn die schriftlichen Entscheidungsgründe vorliegen.
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