Bürgerdialog: Protestwille bleibt ungebrochen! / Bürgermeister Mücke tadelt Landtagsabgeordnete – „Diese Verlogenheit finde ich ätzend.“

31. März 2012
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Knapp einhundert Betroffene kamen zum Bürgerdialog in das Rathaus. (Foto: Wolff)

Wer dachte, dass die Diskussionen um den künftigen Hauptstadtflughafen nach der Bekanntgabe der Flugrouten durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Sande verlaufen würden, der war richtig auf dem Holzweg! Knapp 100 Gäste waren heute zum Bürgerdialog über Themen rund um den künftigen Hauptstadtflughafen BER und seine Auswirkungen auf die Gemeinde in das Schulzendorfer Rathaus gekommen.

Der Versammlungsraum der Gemeindeverwaltung war knüppeldick gefüllt. Zu dem Bürgerdialog hatten die beiden Schulzendorfer Bürgerinitiativen und die Ortsgruppe des Bürgervereins Brandenburg – Berlin e.V. (BVBB) aufgerufen. Insgesamt sieben Abgeordnete des Brandenburger Landtages, Saskia Ludwig (CDU), Kerstin Kaiser (Die Linke), Ingo Senfleben (CDU), Sieglinde Heppener (SPD), Kerstin Kircheis (SPD) , Sören Kosanke (SPD) und Stefan Ludwig (Die Linke) waren zu der Veranstaltung eingeladen worden.

Doch nur Eckehard Schulz (Die Linke), der den Landtagsabgeordneten Stefan Ludwig (Die Linke) vertrat, nahm die Einladung an.

Schulzendorfs Bürgermeister Markus Mücke zeigte sich darüber enttäuscht. Er nahm das mangelnde Interesse zum Anlass und  kritisierte die Kluft zwischen den Worten der Politiker, die sich in der Öffentlichkeit immer wieder für die vom Lärm betroffenen Bürger einsetzen wollen, und den Ergebnissen ihres Handelns. Zum Ende des Dialogs ließ Markus Mücke dann richtig Dampf ab und vergaß, unter dem Applaus der Anwesenden, kurzzeitig sogar sein Hochdeutsch: „Ich habe die schönen Sprüche der Landtagsabgeordneten satt. Sie sollen aufhören mit dem Schaulaufen im Landtag und endlich Farbe bekennen. Diese Verlogenheit finde ich ätzend!“

Lange war er ruhig, dann haute Bürgermeister Mücke mit der Faust auf den Tisch: "Diese Verlogenheit finde ich ätzend" (Foto: Wolff)

Markus Mücke appellierte, dass den vielen Worten endlich auch Taten der Parlamentarier folgen müssen. Von Stefan Herr Ludwig erwarte er ein Antrag im Brandenburger Landtag für ein Nachtflugverbot und die sofortige Verlagerung des Flughafens von Berlin Schönefeld nach Sperenberg.

Christel Pawlick: "Aufgeben? - Auf keinen Fall!" (Foto: Wolff)

Dr. Dieter Schallehn, Sprecher der Schulzendorfer Interessengemeinschaft gegen Fluglärm wies auf die Gefahren hin, die von den Flugrouten, insbesondere für die Kindereinrichtungen in der

Dr.Herbert Burmeister: "Der Klarstellungsantrag ist eine Planfeststellungsänderung." (Foto: Wolff)

Illgenstraße, ausgehen werden. „Die größten Maschinen der Welt, wie der A 380 oder die Boeing 777 werden ab dem 3. Juni 2012 mit 300 Tonnen Kerosin und in einer Höhe von rund 300 Metern über die Köpfe von 500 Kindern hinwegfliegen – das ist völlig inakzeptabel.“, konstatierte der Kraftwerksprojektant.

„ Am 3. Juni wird es in Schulzendorf keinen ausreichenden Schallschutz geben. Und allein aus diesem Grund darf es keine Eröffnung des Flughafens geben.“, forderte Dr. Herbert Burmeister, Mitglied im Dialogforum. In Schulzendorf gibt es insgesamt 2.300 anspruchsberechtigte Wohneinheiten. 930 vollständig formelle Anträge liegen der Flughafengesellschaft vor, 297 Anspruchsberechtigte haben eine Kostenerstattungsvereinbarung unterschrieben. Nur 67 Schallschutzmaßnahmen wurden bis Ende Januar 2012 in der Gemeinde umgesetzt.

Burmeister kritisierte die Sicht der Flughafenbetreiber, die den Bürgern die Schuld für die unzureichende Umsetzung des Schallschutzes in die Schuhe schieben will, weil bisher viele Betroffene die Kostenerstattungsvereinbarungen nicht unterzeichnet haben. „ Die in den Kostenerstattungsvereinbarungen enthaltene Abgeltungsklausel, wonach mit der durchgeführten Schallschutzmaßnahme alle Ansprüche abgegolten sind, ist eines der größte Hindernisse, weshalb viele Menschen mit ihrer Unterschrift zögern.“, stellt Burmeister fest.

Der neue Schallschutzbeauftragte der Flughafengesellschaft, Peter Lehmann kündigte jüngst an, dass die viel kritisierte Abgeltungsklausel aus der Kostenerstattungsvereinbarung gestrichen werden soll.

Dr. Dieter Schallehn warnt vor dem Überflug von Kindereinrichtungen in Schulzendorf: "Das ist völlig inakzeptabel." (Foto: Wolff)

Viele Proteste rufen die Berechnungsmethoden der Flughafengesellschaft für die Schallschutzmaßnahmen hervor. Sie geht in ihren Schallschutzberechnungen nämlich davon aus, dass der Maximalpegel von 55 dB (A) in geschlossenen Räumen pro Tag sechsmal überschritten werden darf. Und das, obwohl im Planfeststellungsverfahren festgelegt ist, dass am Tage bei geschlossenen Fenster 55 dB(A) nicht überschritten werden dürfen. Um diese Berechnungspraxis zu legalisieren wollen die Flughafenbetreiber bei der Planfeststellungsbehörde einen „Klarstellungsantrag“ stellen.

„Der Klarstellungsantrag der Flughafengesellschaft ist in Wirklichkeit eine Planfeststellungsänderung. Mit diesen nachträglichen Änderungen sollen die Betroffenen betrogen werden.“, kritisierte Dr. Burmeister. Er fordert ein Machtwort von der Politik, sie ist letztlich verantwortlich für die unbefriedigende Situation in Sachen Schallschutz: „Herr Professor Schwarz macht das, was ihm seine Gesellschafter, Herr Platzeck, Herr Wowereit und Frau Merkel vorgeben. Sie haben den gesamten Kram zu verantworten.“

Claudia Janßen und Gernut Franke organisierten den Bürgerdialog. (Foto: Wolff)

Das Schulzendorfer Urgestein Christel Pawlick rief die Bürger zu zivilem Ungehorsam auf. Die Proteste gegen den unzureichenden Schallschutz und die Gesundheitsgefährdungen dürfen keinesfalls nachzulassen. „ Aufgeben? – auf keinen Fall!“ – rief sie den Diskussionsteilnehmern zu und erntete dafür großen Beifall.

Gemeindevertreter Thomas Fischer (SPD) sieht es als ein Erfolg, dass sich der Protest gegen Fluglärm bundesweit immer einheitlicher formiert. „ Die Bürgerproteste in ganz Deutschland vernetzen sich. Wir tun gut daran über unseren Tellerrand zu schauen und zentrale Forderungen, die für alle deutschen Flughäfen gelten, aufzustellen.“, so der Politikwissenschaftler. Keine Billigflüge und keine Kurzstreckenflüge, dagegen der Ausbau von Bahnverbindungen, das ist eine Forderung von Fischer.

Nachdenklichkeit! (Foto: Wolff)

Am Ende der Debatten waren sich alle Teilnehmer des Dialogs einig: Die Landesregierung hat in keinem Punkt die minimalen Anforderungen für den Bevölkerungsschutz erfüllt. So lange der jedoch nicht gewährleistet ist, darf es keine Betriebsgenehmigung für den Hauptstadtflughafen geben!

 

 

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3 Responses to Bürgerdialog: Protestwille bleibt ungebrochen! / Bürgermeister Mücke tadelt Landtagsabgeordnete – „Diese Verlogenheit finde ich ätzend.“

  1. 2. April 2012 at 07:33

    Kleine Ergänzung zu den Veranstaltern.

    Initiator und Organisator des 3. Bürgerdialog war Dr.Schallehn, die gemeinsam von der BI und BVBB OG veranstaltet wurde.

    Wir bedanken und für die Unterstützung durch unseren Bürgermeister Herrn Mücke, für die bereitstellung des Sitzungsaales und seiner aktiven Teilname am Bürgerdialog, sowie allen Sprechern und Bürgern für Ihre interessanten Beiträge und bei Herrn Mencke für die tolle Zeichnung, die unsere Befindlichkeit in Sachen Fluchrouten sehr gut darstellt.

    Danke

    Beste Grüße von Gernut Franke

  2. IRRO
    2. April 2012 at 06:35

    Da fühlt man sich doch von den Landtagsabgeordneten so “richtig gut” vertreten. Ist es Resignation oder Desinteresse. Fast könnte man denken, die Abgeordneten sind jezt damit beschäftigt ihre “Schäfchen” zu gunsten des Flughafens ins Trockene zu bringen. Da könnte so eine Gegenwehr doch schaden. Die Bürger, die vom Lärm betroffen sind und vom Dreck der aus der Luft kommt sind doch unbedeutend. Nur vor den Wahlen stellen sie fest dass die Bürger noch nützlich sein könnten. Danke für das Interesse an den Sorgen und Nöten der Bürger in Schulzendorf. Danke an Herrn Schulz, dass er sich zur Verfügung gestellt hat. Aber er ist eben auch “Betroffener”.

  3. Tiefflieger
    Tiefflieger
    31. März 2012 at 21:04

    Bravo Herr Mücke für die klaren Worte!!!!

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