Was wäre eigentlich, wenn Eisbär Knut mit einer Magensonde statt mit der Flasche aufgezogen worden wäre?

6. Juli 2013
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Die Anzahl jener Menschen, die in Pflege- oder Seniorenheimen leben ist derzeit noch gering. Rund zwei Drittel aller Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt. Doch das wird sich ändern! Der Grund: Die Menschen werden immer älter und immer weniger Kinder kommen zur Welt.

Carola Ahlert (rechts) zeigt der CDU – Bundestagskandidatin Jana Schimke (links) das Seniorenheim Wilhelm Busch. (Foto:Wolff)

Seit 2009 ist die Anzahl der in Heimen Versorgten um 3,6 Prozent gestiegen. Gegenwärtig leben in Deutschland 1,4 Millionen Menschen mit einer Demenz, 2030 werden es vermutlich 2,15 Millionen sein.

Wie soll künftig die Pflegeinfrastruktur aussehen, wie soll das finanziert werden? Wird es Realität, dass es in Deutschland den Haustieren bald besser geht als den Senioren?

Jana Schimke, die im Herbst 2013 im Wahlkreis Dahme Spreewald zur Bundestagswahl für die CDU kandidiert, wollte sich zu diesen brisanten Fragen ein Bild verschaffen und mit Senioren und Pflegeorganisatoren ins Gespräch kommen. Vergangenen Donnerstag besuchte sie das Seniorenheim Wilhelm Busch.

Heimleiterin Babett Britz (Vordergrund) erklärt die Funktionsweise der computergesteuerten Pflegedokumentation. (Foto: Wolff)

72 Senioren werden im Busch Heim in 46 Doppel- und 13 Einzelzimmern betreut. “Der Pflegebedarf ist da und er steigt stetig.”, sagte Carola Ahlert, Geschäftsführerin der Volkssolidarität Bürgerhilfe e. V..  Rund 30 Anmeldungen hängen in der Warteschleife für das Seniorenheim.

Sorgen oft für schöne Stunden im Seniorenheim – Das Tanzensemble der Kita Märchenlad: “Oh Schmidtchen Schleicher mit den elastischen Beinen…” (Foto: Wolff)

Vor diesem Hintergrund wollten die Betreiber vor einigen Jahren einen Erweiterungsanbau aus dem Boden stampfen. Der Grundstücksbesitzer und die Gemeindevertretung signalisierten dafür grünes Licht. Doch die Nachbarn machten dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung.

Sie hatten eine Petition gegen den Erweiterungsbau verfasst und mit Klagen ins Unermessliche gedroht. Es sei zwar ein gutes Vorhaben, aber nicht vor ihrer Haustür, argumentierten damals die Nachbarn. Die Volkssolidarität ließ daraufhin das Projekt fallen.

Carola Ahlert nannte die Pflege Probleme beim Namen und kritisierte indirekt die Gesellschaft, die darüber hinweg schaut.

63 Minuten Pflegezeit  in 24 Stunden billigt das Pflegesystem einem Senioren zu. Darin sind Verpflegung, Körperpflege und soziale Betreuung  enthalten. Viel zu wenig, meint  Carola Ahlert.

Ein Glück, dass es da die Kinder und Schüler der Kitas und der Grundschule gibt. Regelmäßig montags kommen die Grundschüler der Arbeitsgemeinschaft Generationen in das Seniorenheim und sorgen für Abwechslung. Und wenn die Kita Kinder mit Tänzen und Liedern  vor den Senioren auftreten, dann ist die kranke Welt für einige Augenblicke ganz heil.

Carola Ahlert ist sich sicher: Wenn die Politik nicht für eine Kehrtwende in der Altenpflege sorgt, wird die Pflegesituation, vor allem im ländlichen Raum, in den nächsten zehn Jahren kollabieren. “Kein Pflegedienst in der Uckermark wird es sich leisten können, kilometerweit über die Dörfer zu fahren um die Menschen zu versorgen.”, so Ahlert.

Pflegebedürftige Alte werden deshalb nach ihrer Überzeugung in die Städte umziehen müssen, wo die Versorgungssituation noch besser ist. Über alternative Wohnformen, wie beispielsweise Senioren Wohngemeinschaften müsse verstärkt nachgedacht werden. Erst jüngst wurde eine solche WG in Lübben eröffnet berichtet Carola Ahlert.

Heimbewohnerin Helma Vincenz (Mitte) fühlt sich in ihren vier Wänden pudelwohl. (Foto: Wolff)

An Durst leidende Senioren? Für die Heimleiterin Babett Britz ein Horrorszenario. Eine computerbasierte Pflegedokumentation soll helfen, dass so etwas im Wilhelm Busch Heim nie geschieht.

Auf Touchscreen Monitoren, die in unmittelbarer Nähe der Zimmer angebracht sind, wird genau erfasst, wenn Essen und Getränke auf ein Zimmer gereicht werden. Das Programm signalisiert sofort, wenn ein Heimbewohner nur 750 Milliliter anstatt 1.500  erhalten hat.

“Deshalb kann ich nicht verstehen, weshalb es Fälle in Deutschland gibt, wo Menschen in einer Pflegeeinrichtung verdursten.”, konstatiert Ahlert.

Eine Frage von Jana Schimke konnte  die Chefin des Heimbetreibers  allerdings nur vage beantworten! Die CDU – Bundestagskandidatin wollte wissen, wie es zu “Pflegeskandalen” kommen kann, wo alte Menschen misshandelt oder fixiert werden.

“Mir sind solche Fälle schleierhaft. Das können nur schwarze Schafe sein!”, sagte Ahlert. Das  Seniorenheim Wilhelm Busch ist ein offenes Haus. Täglich kommen Friseure, Ärzte, Physiotherapeuten, Betreuer und Familienangehörige. Sie alle sehen die Senioren und  spüren die gute Atmosphäre in der Einrichtung, argumentiert Carola Ahlert.

In Tierheimen werden  Hunde regelmäßig “Gassi” geführt, Strafgefangene haben das Recht auf Bewegung an der frischen Luft – und was ist mit Pflegebedürftigen? Gute Pflege ist ein Menschenrecht, gerade im letzten Lebensabschnitt!

 

7 Responses to Was wäre eigentlich, wenn Eisbär Knut mit einer Magensonde statt mit der Flasche aufgezogen worden wäre?

  1. Frank
    8. Juli 2013 at 17:00

    Wenn man des Öfteren seinen Angehörigen im Heim besucht bekommt man mehr mit, wie z.B. das komplette Pflegepersonal hinterm Haus sitz und raucht, oder die Bewohner in der Sonne sitzen und schmoren, ohne das sich das Pflegepersonal darum kümmert. Auch Rufe nach Schwestern bzw. Pflegern verhallen leider in solchen Situationen. Wirklich nicht das erstrebenswerte Ziel in einem Heim so zu enden.

  2. Uwe
    8. Juli 2013 at 09:51

    @Pfarrer Braun Ihre Bemerkung ist quatsch. Dieser Standort war mal im Bebauungsplan als Zentrum von Schulzendorf vorgesehen und ein Zentrum ist wohl für andere Aufgaben da. Wenn Rentner zur Disko oder zur Spielhöhe gehen wollen, dann stimmt ihre Meingung allerdings.

    Der Standort des Heimses ist alles andere als ideal, keine Rückzugsräume, Parkplätze für Personal alles andere als gut- die Situation BER – ist ein weitere Punkt.

    P.s. Ich wohne nicht in diesem Bereich – Amen

  3. Ulf
    Ulf
    8. Juli 2013 at 08:40

    @Gisela: Völlig berechtigte Kritik! Politik ist eben nicht immer für die Menschen da, daran werden Frau Schimke (CDU), Frau Fischer (SPD) und Herr Kühne (Linkspartei) auch nichts ändern,

  4. Karo
    8. Juli 2013 at 06:11

    Hallo Gisela, da kann man Ihnen nur voll und ganz zustimmen. Ob schon je einer der für diese “63” Minuten verantwortlich ist, darüber nachgedacht hat wie viel “persönliche Zeit” er selbst benötigt? Vor allem kommt da nur gründliche Körperreinigung 1 mal am Tag in Frage. Na danke. Hoffentlich falle ich vorher tot um.

  5. Du
    7. Juli 2013 at 22:42

    @Carola Ahlert “Auf Touchscreen Monitoren, die in unmittelbarer Nähe der Zimmer angebracht sind, wird genau erfasst, wenn Essen und Getränke auf ein Zimmer gereicht werden.”

    Ihre Kritik zur Altenpflege in der Gesellschaftsform ist berechtigt. So wie ein Kind zum Problem in der Berufsentwicklung wird, sind kranke Menschen erst ein richtiges Problem- aus der sich m.E. eine richtige Industrie mit Milliardenumsätzen sich gemausert hat. Da der eigene Job wichtiger ist, als die kranken Menschen- kommt eine Überforderung für alle noch dazu !

    Ihre Bemerkung, dass Sie sich nicht vorstellen können, dass Kranke verhungern oder verdursten – kann man zu Ihrem Computersystem nur den Kopf schütteln- auf dem Zimmer heißt noch lange nicht- im Magen !

    Bei der Zuwendung zu dem Kranken gehört eben auch, dass Nahrung zugeführt wird und nicht nur ins Zimmer gebracht wird. Ich habe sehr oft erlebt , dass der Kranke seine Essen am Bett hatte- und es ohne Rückfrage wieder abgeräumt wurde- dabei hatte der Kranke körperlich gar nicht die Möglichkeit der Essenaufnahme- Solche Computer haben Sie aber auch nicht !

  6. Pfarrer Braun
    7. Juli 2013 at 18:01

    Mögen die Nachbarn, die sich gegen den Erweiterungsbau aussprachen, niemals alt und gebrechlich werden und auf Hilfe angewiesen sein.

  7. Gisela
    7. Juli 2013 at 14:11

    Meine Mama ist im Seniorenheim untergebracht. Sie fühlt sich dort sehr wohl, mein Mann und ich wir sind sehr zufrieden. Es arbeitet dort ein sehr engagiertes Team, die kümmern sich um die alten Menschen. Frau Ahlert hat völlig Recht, es könnte noch mehr für die Senioren getan werden. Und an dieser Stelle bekomme ich einen dicken Hals. In Schönfeld werden Milliarden in einen Betonklotz investiert, weitere Milliarden in unbemannte Drohnen und und und, und für unsere Eltern stehen 63 Minuten am Tag zur Verfügung. Eine schöne Überschrift zum dem Artikel.

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