Haushalts Diskussion: Es ist fünf vor Zwölf – Wer bekommt den Sparhammer am meisten zu spüren?

20. Februar 2012
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Schulzendorf droht 2013 erstmals in seiner Geschichte ein Haushaltssicherungskonzept, zu gut Deutsch: ein „Zwangshaushalt“. Dabei könnte es zu massiven Streichungen von freiwilligen Leistungen sowie Steuer- und Gebührenerhöhungen kommen. Über dieses Thema unterhielt sich Der Schulzendorfer mit Kennern der Materie: Mit dem finanzpolitischem Sprecher der CDU und Bürgermeisterkandidaten von 2009, Guido Thieke, mit  Dr. Herbert Burmeister (Die Linke), der sechszehn Jahre lang als Kapitän die “Schulzendorf“ sicher steuerte  und Bürgermeister Markus Mücke, der seit zwei Jahren das Ruder in der Hand hält.

Wie schätzen Sie in wenigen Worten die gegenwärtige Haushaltssituation in der Gemeinde ein?

Dr. Herbert Burmeister boxte sich 16 Jahre durch: "In meiner Amtszeit blieb die Rücklage stabil zwischen 3 und 4 Millionen Euro." (Foto: Wolff)

Dr. Herbert Burmeister: Mit dem Blick von außen, sehe ich keine wesentlich andere Situation als zu meiner Amtszeit. Die Einnahmen aus eigenen Quellen sind und bleiben gering. Wir haben stets einen ausgeglichenen Haushalt aufgestellt, mussten aber wiederholt dazu auf die Rücklage zugreifen. Allerdings blieb die Rücklage stabil zwischen 3 und 4 Millionen Euro, da die jährlichen Ausgaben in der Regel geringer als geplant ausfielen. Ich gehe davon aus, dass auch Mittel aus dem Haushalt 2011 in die Rücklage fließen.

Guido Thieke: Die Situation ist zweifelsohne sehr ernst, aber keinesfalls hoffnungslos. Die Gemeindevertretung hat genügend Werkzeuge und Möglichkeiten dieser bedenklichen Tendenz entgegenzusteuern.

Markus Mücke: Die Haushaltssituation ist momentan sehr bedenklich. Die Erträge decken nicht die Aufwendungen, ein Ausgleich muss über die Verwendung von Rücklagemitteln erfolgen. So lange dieser Zustand vorherrscht, können keine Investitionen geplant werden.

War es angesichts der Haushaltslage, die ja seit längerem bekannt ist, sinnvoll eine zusätzliche befristete Stelle für die nächsten zwei Jahre zu schaffen? Schließlich kostet sie 33.000 Euro pro Jahr.

Dr. Herbert Burmeister: Die Notwendigkeit der Stelle hängt mit dem Straßenausbau zusammen und ist für diese Zeit begrenzt. Wenn die notwendige Qualität in der Umsetzung des Projektes und die zügige Bescheid Erstellung gesichert werden soll, müssen dafür die personellen Voraussetzungen vorhanden sein. Möglich gewesen wäre auch eine externe Bescheid Erstellung. Es ist sicherlich geprüft worden, welche Variante kostengünstiger ist.

Guido Thieke:  Zunächst möchte ich festhalten, dass die CDU gegen diese Stelle gestimmt hat. Ich finde es sehr unglücklich, dass die Gemeindevertretung das wachsame Auge nicht hegt. In  den letzten sechs Monaten wurden mehrheitlich drei Beschlüsse zu Personalien gefasst, die den Haushalt mit insgesamt 113.000 Euro pro Jahr belasten. Uns stehen viele Instrumente zur Verfügung, um eventuelle Personalengpässen zu begegnen, da müssen nicht immer gleich neue Stellen beschlossen werden. Ein Beispiel ist die Bürgerarbeit, ein anderes die Nutzung von Leiharbeit, Praktika Plätze oder das sogenannte freiwillige Jahr.

Markus Mücke: "Aus meiner Sicht muss die Gemeindevertretung Maßnahmen beschließen, die geeignet sind, die Erträge zu erhöhen und die Aufwendungen zu minimieren." (Foto: Wolff)

Markus Mücke: Die Schaffung einer zusätzlichen Stelle war notwendig, um die Einnahmen über die Straßenbaubeiträge zu sichern. Würden die Straßenbaubeiträge nicht über die Beitragserhebung fließen, müssten die Straßenbaukosten über Fremdmittel gedeckt werden. Das würde wiederum eine weitere Belastung  für den Haushalt bedeuten. Da stehen ca. 33.000 € Ausgaben für eine Planstelle ca. 2,5 Mio € Einnahmen durch Straßenbaubeiträge gegenüber.

Teilen Sie die zum Teil verbreitete Ansicht, dass sich die Gemeinde Schulzendorf das 16 Kilometer Straßenausbauprojekt nicht leisten kann?

Markus Mücke: Nein, diese Meinung teile ich nicht. Das Projekt „Ausbau 16 km unbefestigter Straßen“ belastet den Haushalt im Prinzip gar nicht. Der Anteil der Gemeinde wird über die gebundenen investiven Schlüsselzuweisungen gedeckt. Die Es handelt sich dabei um Investitionsmittel, die für den laufenden Haushalt gar nicht vorgesehen sind. Wenn der Straßenausbau abgeschlossen ist, werden die Aufwendungen für Instandsetzung der Straßen geringer sein, die Wohnqualität steigt und die Gemeinde wird für den Zuzug attraktiver.

Guido Thieke: Wie Sie wissen, hatte die CDU damals grundsätzlich ein anderes Konzept gehabt. Es ist richtig, dass mit unserer Strategie die Straßen nicht schon in vier sondern erst in zehn oder zwölf Jahren fertig gewesen wären. Der Straßenausbau in der jetzigen  Form ist meiner Ansicht nach in der Finanzierung nicht bis zu Letzt gut durchdacht. Und nur mit den Schlüsselzuweisungen lässt er sich auch nicht finanzieren. Wir haben beispielsweise zwei neue Stellen in der Verwaltung dafür geschaffen, was zusätzlich den Haushalt belastet.

Dr. Herbert Burmeister: Nein, diese Ansicht teile ich nicht. Das Projekt ist eine große Herausforderung an die Grundstücksbesitzer und die Gemeinde. Wir haben sehr lange und gründlich gerechnet, bis wir uns entschieden haben, das Projekt in Angriff zu nehmen. Es bindet alle investiven Ressourcen der Gemeinde für den Zeitraum des Ausbaus. Hinzu kommt, dass in meiner Amtszeit in die Kalkulation die 2/3 Drittel-Eckgrundstücksregelung nicht eingeflossen ist. Das war allen Gemeindevertretern bekannt. Wenn keine Straßengebaut werden, müssen in den unbefestigten Straßen, um den Zustand einigermaßen erträglich zu halten, immer wieder Gelder ausgegeben werden. Diese Ausgaben sind ohne dauerhafte Wirkung.  Der alte Zustand kehrt schnell zurück und die eingesetzten Gelder sind verloren.

Ist es überhaupt möglich in der Kürze der Zeit einen ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2013 aufzustellen? Oder ist ein ausgeglichener Haushalt  vielmehr das Ergebnis eines längerfristigen Sparkurses?

Guido Thieke: "Einsparungen von freiwilligen Leistungen bei den Kindereinrichtungen sind für mich überhaupt kein Thema. Die bekommen ja ohnehin schon kaum etwas." (Foto: Wolff)

Guido Thieke: Die Frage kann man erst beantworten, wenn konkrete Fakten und Zahlen von der Gemeindeverwaltung auf den Tisch gelegt worden sind. Wurden alle Mittel 2011 aufgebraucht?  Wie viel fließt zurück  in den Haushalt? Welche Einwohnerzahlen stimmen denn nun eigentlich?  Im Haushalt 2012 wird von der Verwaltung die Einwohnerzahl mit 7.878 angegeben. Jüngst im Finanzausschuss waren es 239 weniger, nämlich nur 7.639! Für die pro Kopf Verschuldung ist das eine wichtige Zahl.

Markus Mücke: Im laufenden Jahr wird es nicht möglich sein, die Erträge so anzuheben und die Aufwendungen so zu minimieren, dass sie gegeneinander ausgeglichen sind. Man kann die Erträge aber so weit anheben und die Aufwendungen so weit minimieren, dass die Verwendung von Rücklagemitteln deutlich reduziert wird. Das würde bedeuten, dass der Zeitpunkt, bis zu dem die Rücklagemittel aufgebraucht sein könnten, in die Zukunft verschoben werden kann. So hat man mehr Zeit, entsprechende Maßnahmen zum Ausgleich zwischen Erträgen und Aufwendungen zu ergreifen.

Dr. Herbert Burmeister: Wir haben in Schulzendorf noch nie aus dem Vollen schöpfen können. Ein ausgeglichener Haushalt ist möglich und es muss auch gründlich überlegt werden, wo gespart wird. Mit dem Streichen aller „freiwilligen“ Leistungen ist der Haushalt nicht auszugleichen. Es führt aber zu dauerhaften Verlusten im ehrenamtlichen Bereich. Auch das Streichen von Stellen ist kein geeignetes Mittel, da es die Verwaltung schwächen würde. Wir haben den großen Vorteil, dass mit dem Straßenbau alle wichtigen Projekte in Schulzendorf abgeschlossen sind. Die Gemeinde kann sich dann auf die Erhaltung konzentrieren und durch kleinere Vorhaben ergänzen.

Welche konkreten Maßnahmen sind Ihrer Ansicht nach zwingend erforderlich, um einen ausgeglichenen Haushalt auf die Beine zu stellen?

Markus Mücke: Aus meiner Sicht muss die Gemeindevertretung Maßnahmen beschließen, die geeignet sind, die Erträge zu erhöhen und die Aufwendungen zu minimieren. Dazu gehören die Anpassung der Grundstückssteuer an das Landesniveau, die Anhebung der Gebühren in den verschiedenen Satzungen, die Überprüfung der freiwilligen Leistungen und die Optimierung der Verwaltungsarbeit.

Dr. Herbert Burmeister: Es muss allen klar sein, dass der Straßenbau alle investiven Mittel in Anspruch nimmt. Wünsche, so sinnvoll sie auch sein mögen, müssen bis zum Ende des Projektes zurückgestellt werden. Es müssen alle begreifen, dass sie einen Beitrag zu Einsparungen leisten müssen. Das betrifft nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Grundschule, die Kindereinrichtungen, die Nutzer der Sport- und Mehrzweckhalle. Unsere Einrichtungen sind alle gut ausgestattet. Auch da müssen manche Wünsche für einige Zeit zurückstehen.

Guido Thieke: Eisernes Sparen ist vorrangiges Ziel! Meiner Überzeugung nach muss überlegt werden, ob solche Bereiche wie die Kindergärten, der Bauhof und die Friedhofsverwaltung aus der Gemeindeverwaltung ausgegliedert werden können. Dass bedeutet nicht und darauf lege ich großen Wert, dass Verwaltungsangestellte entlassen werden. Sie müssen in neu zu gründende Gesellschaften untergebracht werden. Damit würde die Kernverwaltung entlastet werden, was in jedem Fall zu großen Einsparungen führen würde. In der Praxis gibt es solche Modelle, die sich auch bewährt haben. Weiterhin müssen auch die verschiedenen Satzungen überarbeitet und Gebühren erhöht werden.

Einsparungen von freiwilligen Leistungen bei den Kindereinrichtungen sind für mich überhaupt kein Thema. Die bekommen ja ohnehin schon kaum etwas. Ich finde es schlimm, wenn wir unseren Kindern heute lehren, wie sie später mit uns umgehen sollen. Ich bin gespannt auf die Reaktionen, wenn später unsere Kinder sagen, so, jetzt müssen wir bei den Renten sparen.

7 Responses to Haushalts Diskussion: Es ist fünf vor Zwölf – Wer bekommt den Sparhammer am meisten zu spüren?

  1. Knuffke Frank
    20. Februar 2012 at 21:19

    Diese ganze Diskussion ist doch Mumpitz,solange nicht klar ist,wie das Jahr 2011 abgeschlossen wurde.Der Bürgermeister sieht das auf einen Blick wenn er sich die Kontenstände der Gemeinde betrachtet.
    Deshalb hier noch einmal mein Vorschlag:Die Mitglieder des Finanzausschußes erhalten Online-Zugang zu den Bank-Konten der Gemeinde.Hört sich ungewöhnlich an,ist es aber nicht,schließlich ist das alles unser Steuergeld,und die GV haben darüber zu wachen als wäre es ihr Eigenes.Schon vergessen?Aufgabe der GV ist die Kontrolle der Verwaltung!Natürlich wäre das ein Novum in der Bundesrepublik,aber warum wollen wir damit nicht in Schulzendorf anfangen?Ich sehe keinen Grund,welcher dagegen spricht,sehr viele Gründe sprechen aber dafür.Wenn erst ein Haushaltsicherungskonzept greift,ist es zu spät,meine Herren GV.Und dann flennt ja nicht rum!

  2. Marry
    20. Februar 2012 at 20:36

    Was mich beim ganzen Straßenprojekt aufregt ist, von den Kosten mal ganz abgesehen, dass es die Autofahrer nicht mehr für nötig halten die vorgegebene 30 km/h einzuhalten! Der überwiegende Teil ist mit mindestens 50 km/h unterwegs und bremst vor allem nicht mal ab, wenn man mit Kind und/oder Hund unterwegs ist!

  3. Ratlos
    20. Februar 2012 at 18:04

    Nach diesem Bericht bin ich schlauer . Ich dachte immer, die Menschen sind im Schulzendorf so alt, weil sie mit dem Kopf wackeln. Jetzt weiß ich : Ea ist ein dauerhaftes Kopfschütteln über die Bürgermeister – Aussagen, die wir seit 18 Jahren erleben !

    Aber -hallo Herr Dr. Burmeister, der Straßenbau hat keine Auswirkungen auf den Haushalt ? – Sie hatten selbst eingeräumt, dass die komplexe Idee nicht das Ergebnis erreicht hat, wie es erhofft war. Und Herr Mücke erklärt einen Durchlaufposten, für was ? Für die Bürger die nicht zahlen können, besonders bei den Zufahrten.

    Schulzendorf vergleicht sind eben mit dem Bundestag !

    Aber Herrn Thieke ein Lob, sie gehen mit den Dingen sachlicher und objektiver um.

  4. ein aufgebrachter Leser
    20. Februar 2012 at 17:14

    Herr Mücke aus ihrer Sicht müssen wieder die Gemeindevertreter konkrete Maßnahmen beschließen!!!
    Sind Sie dazu nicht in der Lage?
    Es ist sehr einfach der GV den schwarzen Peter zu überlassen.
    Mann,Mann,Mann…
    Setzen Sie sich mit dem Amtsleiter und anderen Verwaltungsangestellten zusammen und erstellen einen Fahrplan.
    Oder sollen wir Bürger das lieber machen!!!

  5. Lutz aus der Münchener Str
    20. Februar 2012 at 09:53

    …und noch was: Ich zweifle stark an, daß mit dem „Ausbau 16 km unbefestigter Straßen“ die Wohnqualität steigt und die Gemeinde für den Zuzug (insbesondere unter der Hoffmann Kurve) attraktiver wird.

  6. Tiefflieger
    Tiefflieger
    20. Februar 2012 at 09:31

    Was die zusätzlichen Stellen angeht teile ich weder die Auffassung von Dr. Burmeister; noch die von Herrn Mücke. Wenn mir mitten im Straßenbau einfällt, dass ich kein Personal habe um Bescheide zu erstellen, dann ist das einfach mal mangelnde Voraussicht. Schönrederei ist das, was beide machen. Die Erklärung von Herrn Mücke für die zusätzliche Stelle ist aber der Obergipfel! Es werden ja auch 2 Millionen Euro eingenommen, dann kann ich auch 33.000 ausgeben. Mein Mathematiklehrer hätte mir früher gesagt, Setzen Note 5.
    Alles in allem tragen die Gemeindevertreter von SPD, Grüne und Linkspartei die Schuld für diese Situation. Sie haben diesen Personalirrsinn beschlossen.

  7. Lutz aus der Münchener Str
    20. Februar 2012 at 08:58

    Ja mit dem Markus haben wir uns schon was eingebrockt…
    Jetzt soll also nach dem Straßenausbau, der einschl. Straßenbeleuchtung und Auffahrt und Zinsen mich ca. 10.ooo.- € kosten wird auch noch die Grundsteuer erhöht werden; milder gesagt: “Anpassung der Grundstückssteuer an das Landesniveau”
    Wenn ich daran erinnern darf, dann wurden vor geraumer Zeit erst die Kita- und die Friedhofsgebühren erhöht.

    Was bleibt denn dann noch zur Einnahmenerhöhung?

    Das Ordnungsamt könnte natürlich mehr Einnahmen generieren wenn zum Beispiel die Berufstätigen ihrer Schneeräumpflicht und Laubbeseitigungspflicht täglich nicht bis um 7.00 Uhr nachkommen…

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