“Der Bürger muss sich wieder einmal selbst helfen.”

3. Dezember 2009
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Im kürzlich veröffentlichten erweiterten Planfeststellungsbeschluss der Brandenburger Landesregierung sind in den Randzeiten von 22 bis 24 Uhr und von 5 bis 6 Uhr über 100 Flüge pro Nacht angemeldet worden. Davon wären auch Schulzendorfs Bewohner betroffen. Der Bürgerverein Berlin-Brandenburg (BVBB) will gegen diesen Beschluss vor das höchste Gericht ziehen. Doch es fehlt am Geld, schließlich kostet ein solches Verfahren mehrere Hunderttausende Euro. Schulzendorfer.de unterhielt sich mit dem Sprecher der BVBB-Ortsgruppe Schulzendorf, Gernut Franke:

Welche Auswirkungen wird dieser erweiterte Planfeststellungsbeschluss für die Schulzendorfer haben?

Wir werden erheblich an Lebensqualität verlieren. Denn es ist ja schon jetzt zu beobachten, dass gerade am Wochenende und bei schönem Wetter die Lärmbelastungen hoch sind und sogar Flugzeuglärm in Süd-Schulzendorf zu hören ist. Er ist natürlich immer unterschiedlich, je nach Windrichtung und Wetterlage. Jeder empfindet das für sich anders. Viele junge Familien sind hierher gezogen, um sich den Stadtlärm zu entziehen und werden feststellen müssen, dass Ruhe hier nicht mehr vollständig gewährleistet ist.

Welchen Vorteil bringt eine Mitgliedschaft im BVBB, wenn ein privater Kläger den Planergänzungsbeschluss vom November 2009 in Leipzig beklagen würde?

Der BVBB wurde gegründet, um gemeinsam stark zu sein und sich gegen den politisch gewählten falschen Standort zu wehren. Das war nur durch Tausende Mitglieder und Spenden und die fleißige Arbeit der aktiven Mitglieder möglich. Nur durch die Klagen Betroffener und der Klagegemeinschaft des BVBB wurde das Nachflugverbot gerichtlich erstritten.
Ein privater Kläger hat vor Gericht keine Chance, da die Kosten zu hoch sind, deswegen gibt es eine Klagegemeinschaft des BVBB. In der arbeiten qualifizierte Schulzendorfer Betroffene, die für alle Bewohner der Gemeinde die Aufhebung des Nachflugverbotes durch das Land Brandenburg und Berlin gerichtlich durch eine Klage verhindern wollen.

Wie bewerten Sie den Vorschlag vom SPD-Gemeindevertreter Markus Mücke, dem BVBB 30.000 Euro für ein Klageverfahren aus dem Gemeindeetat zur Verfügung zu stellen?

Ich finde das sehr erfreulich. Das zeigt, dass die Erkenntnis gewachsen ist, wonach nur eine qualifizierte Klage Betroffener vor Gericht mehr Gewicht hat. Der BVBB hat ja bewiesen, dass er fachlich in der Lage ist sich zu wehren. Die Gemeinde Schulzendorf hat auch eine Fürsorgepflicht für seine Bewohner. Es ist richtig, Steuergelder zum Schutz der Bürger einzusetzen, denn das tut die Landesregierung auch. Fair wäre es, wenn seitens der Landesregierung ein finanzielles Gleichgewicht für den BVBB geschaffen würde, so dass für die Klagegemeinschaft des BVBB kein Kostenrisiko entsteht.

Die Gemeinde Schulzendorf ist Mitglied in der Schutzgemeinschaft Umlandgemeinden Schönefeld e.V. vertreten. Die versprach jüngst, Gutachten kostenlos klagewilligen Bürgern zur Verfügung zu stellen. Ist das eine wirkliche Hilfe?

Eine wirkliche Hilfe ist das wahrscheinlich nicht, da die Bürgermeister sicher andere Aufgabenstellungen für ein Gutachten beauftragen als sie wirklich für Betroffene nötig sind, um eine Klage fachlich wirksam zu begründen.

Die Vergangenheit hat ja auch gezeigt, dass von der Schutzgemeinschaft keine Zugeständnisse der Brandenburger Landesregierung in Sachen Kostenübernahmen erkämpft wurden. Der Bürger muss sich wieder einmal selbst helfen.

Der Wille seitens der Schutzgemeinschaft einen Weg zu finden, wie man eine Klage der Betroffenen ermöglicht, ist nicht erkennbar. Man versteckt sich hinter rechtlichen Bedenken. Aus meiner Sicht würden sich Wege finden lassen. Denn die Kommunalverfassung biete jene Möglichkeiten. In ihr heißt es: „Die Gemeinde darf keine Sicherheiten zugunsten Dritter bestellen. Die Kommunalaufsichtsbehörde kann Rechtsgeschäfte nach den Absätzen 2 bis 4 genehmigen. Darüber hinaus kann sie in besonderen Einzelfällen Ausnahmen zulassen.”

Unterstützt die Gemeinde Schulzendorf die Interessen der betroffenen Einwohner aus Ihrer Sicht ausreichend?

NEIN! Im Schulzendorfer Gemeindekurier ist das Thema Flughafen eher wenig zu finden. Hier könnten die Bürger auch sensibilisiert werden und Hilfestellungen bekommen, wie Zuständigkeiten und Anschriften von Behörden usw. Es könnte auch darüber informiert werden, dass zum Beispiel die Unterlagen für den Schallschutz nicht den rechtlichen Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses genügen. Es ist nun mal Fakt, dass Brandenburg altert und ältere Menschen mehr „an die Hand” genommen werden müssen als Jüngere. Der Servicegedanke, den ein Amt für seine Einwohner haben müsste, ist in Schulzendorf in Sachen des künftigen Flughafen BBI noch etwas unterentwickelt.

Wie bewerten Sie das Engagement der Schulzendorfer Einwohner in Sachen Nachtflugverbot?

Ungenügend. Die Mehrheit hat aufgegeben sich zu wehren oder ist für den Flughafen am falschen Standort. Gerade weil die Mehrheit den Verlautbarungen in den Medien glaubt und denkt: „Ich will keine Arbeitsplätze verhindern!” konnte der falsche Standort durchgesetzt werden, entgegen allem fachlichen Rat.

Was können Schulzendorfer Bürger konkret tun, um sich aktiv für die Durchsetzung des Nachtflugverbotes einzusetzen?

Das Naheliegendste ist, durch den Kauf einer Lärmaktie den Klagefonds und somit die Klagegemeinschaft des BVBB zu unterstützen. Jeder kann etwas tun und dazu beitragen, unsere Nachtruhe zu erhalten. Eine E-Mail (zentrale@bvbb-ev.de) oder einen Brief an unser Büro genügt um in Sachen einer Aktienbestellung mehr zu erfahren.

3 Responses to “Der Bürger muss sich wieder einmal selbst helfen.”

  1. Michael Kraehnke
    29. Januar 2010 at 19:45

    die gemeinde schulzendorf spielt in dieser geschichte scheinbar nach außen hin eine kämpferische rolle….erreicht hat sie jedoch in all den jahren mit ihren blumigen worten offensichtlich garnichts. und wenn man als gemeinde schon keine möglichkeiten hat, dann sollte man auch sagen dass dies so ist und man nichts für die bürger tun kann. daher besteht die einzig reale möglichkeit der gegenwehr gegen nachrflüge und schönefeld im allgemeinen in einer unterstützung des bvbb. alle anderen sind nur schwätzer und trittbrettfahrer.

    es ist gut, dass die breite bevölkerung nichts über die wahren hintergründe weiß, oder wissen will. dann würde ihnen schnell klar werden, dass das ganze flughafenprojekt durchweg gegen demokratische regeln verstößt und unser wertesystem damit grundsätzlich in frage stellt.

    aber eins ist sicher: es wird mit über 22 mill. passagieren schlimmer kommen, als wir es uns vorstellen können

  2. Helmut Mencke
    4. Dezember 2009 at 17:42

    Guten Abend Herr Wolff,

    falls Sie meinen Kommentar so durchgehen lassen, bitte ich um eine kleine Korrektur. Die richtige Internetadresse geht so: http://www.direktzu.de/platzeck/messages/23628, danke.

    Mit freundlichem Gruss, H. Mencke

  3. Helmut Mencke
    4. Dezember 2009 at 17:24

    Die Worte Herrn Frankes sprechen mir aus dem Herzen. Noch ahnen die wenigsten Schulzendorfer, welch “bunter” Lärmteppich mit der Aufnahme des geplanten Flugbetriebes über unseren Ort gezogen wird. Um für uns ein Mindestmass an Nachtruhe zu sichern, werden wir wieder klagen müssen. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag Herrn Mückes, diese Klage mit einem schulzendorfer Beitrag finanziell zu sichern. Es wäre auch ein Zeichen des Zusammenstehens aller Schulzendorfer mit denen, die durch ihren Einsatz überhaupt ein Nachtflugverbot erstritten haben.

    Die im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft sitzende Landesregierung hat sich zu einem finanziellen Beitrag noch nicht erklärt. Das riecht sehr nach einer Parteinahme für das wirtschaftliche Projekt und gegen die minimalen Forderungen der Betroffenen. Auf http://www.direktzu/platzeck/messages/23628 können alle Schulzendorfer ihre Einstellung zu einem finanziellen Beitrag der Landesregierung aussprechen.

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