Wildau. Eine Mehrheit im Stadtrat ist drauf und dran, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit von Politik wie am Roulette Tisch zu verspielen. Am kommenden Dienstag wird im Stadtparlament über einen Antrag von CDU, FDP und SPD abgestimmt. Der sieht vor, das Bauprojekt „Dahme-Nordufer“ vollständig einzustampfen.
Kommt es dazu, dürften die drei Parteien jegliches Vertrauen bei Bürgern verspielt haben. Denn in einer repräsentativen Umfrage des FORSA-Instituts sprachen sich 60 Prozent der befragten Wildauer für die Bebauung des Dahme-Nordufers aus.
Ein Blick zurück
2015 und 2017 wurden Notarverträge zwischen der Wildauer Wohnungsbaugesellschaft mbH (WiWO) und dem Investor, die Bauwert AG geschlossen. Darin verpflichtet sich das stadteigene Unternehmen alles zu unternehmen, damit die in den Vereinbarungen bestimmte Bebauung des Dahme-Nordufers realisiert werden kann. Alles geschah mit dem Segen des Aufsichts- und Stadtrates.
Die Aufstellung eines Bebauungsplans (B-Plan) beginnt in aller Regel mit dem Aufstellungsbeschluss. 2019 wurde er im Stadtrat gefasst. WiWO-Aufsichtsrat Boss Mark Scheiner (CDU) und die damalige Bürgermeisterin Angela Homuth (SPD) beteuerten stets, zuletzt in einer Beratung mit Dr. Jürgen Leibfried, dem Chef der Bauwert AG, am 14.09.2020, dass das Projekt begrüßenswert sei.
„Seit der Wende haben alle Politiker und Bürgermeister von Wildau diese Vision mit Leidenschaft verfolgt.“, resümiert der frühere WiWO Chef Frank Kerber.
Irrationale Politik – Bürger wären die großen Verlierer
Die Bauwert AG hatte im Vorfeld des Aufstellungsbeschlusses jede Menge Geld in Expertisen investiert, so in Gutachten zur Altlastenermittlung und der Verkehrsbelastung.
Das Einvernehmen von einst zum Projekt soll nun nicht mehr gelten. Politiker von CDU, FDP und SPD werden zu Unberechenbaren.
Peitschen die drei Parteien den Antrag mit ihrer Mehrheit im Stadtrat durch, rollen auf Wildau immense Kosten zu: So belaufen sich nach Angaben der Bauwert AG die Kosten aus einem Schadensersatzanspruch für erbrachte Planungsleistungen und Gutachten auf etwa 4 Millionen Euro.
Die Stadt müsste außerdem rund 22 Millionen Euro zeitnah für die Dekontamination des Areals hinblättern, wobei es sich danach immer noch nicht um ein voll erschlossenes Baugrundstück handeln würde.
Frank Kerber zu den Folgen: „Der Schaden wird sich ins Unermessliche steigern, weil die Folgen eines solchen Schrittes verschwiegen und umsetzungsfähige sowie bezahlbare Alternativen nicht vorhanden sind. Jahrelange Rechtsstreitigkeiten werden sich anschließen und Wildau weiter spalten. Wie nach jeder „Schlacht“ wird es keine Gewinner, sondern nur Verlierer geben.“
Woher kommt die Kehrtwende?
Die drei Parteien begründen sie damit, dass die Stadt weiteren Zuzug wegen der fehlenden sozialen Infrastruktur nicht verträgt. Warum fällt ihnen das erst 2022 ein? Und damit, dass sich auf einer Einwohnerversammlung CDU- und SPD-Fans gegen eine Bebauung aussprachen.
Schenkt man der Flüsterpropaganda in der Stadt Glauben, geht es um Macht- und Ränkespiele von Parteien und Spitzenpolitiker von CDU und SPD.
„Es wird weiter Machtpolitik vor Bürgerpolitik gestellt, weil man weiß, dass der Parteiklüngel bei der nächsten Wahl der SVV in 2024 hinweggefegt wird. Deshalb muss es jetzt offenbar schnell gehen, koste es, was es wolle.“, konstatiert Frank Kerber.
WiWO-Chef Sven Schulze verhält sich gegenüber der Bauwert AG, immerhin Geschäftspartner der WiWO, nicht gerade stilvoll und seriös. Er beteiligte sich an wilden Spekulationen des von der SPD nominierten Bürgermeisterkandidat Enno von Essen um den im Notarvertrag von 2017 vereinbarten Kaufpreis.
Enno von Essen hatte behauptet, der Wert des Areals würde 130 Millionen Euro betragen. Belastbare Fakten dafür legte er nicht auf den Tisch. 2021 wurde in einem Gutachten der Stadt ein Verkehrswert von 8,9 Millionen Euro bescheinigt.
Die Märkische Allgemeine Zeitung schrieb in diesem Zusammenhang über Schulze: „Er bestätigte jedoch, dass die Summe „um ein Vielfaches“ über den Preisen liegen werde, über die bisher verhandelt worden sei.“ Schulze gilt als Getreuer der früheren SPD-Bürgermeisterin Homuth.
Was Politiker oft vergessen
Kommunalpolitiker tun einen Dienst an der Allgemeinheit. Werden Beschlüsse, die sie (mit-) verantworten, angefochten, kann ihnen dieser Dienst jedoch teuer zu stehen kommen. Nicht alle wissen, dass man gegebenenfalls auch persönlich haftet, wenn etwas im Rat nicht rechtens entschieden wird.
Freizeitpolitiker können in Regress genommen werden, wenn sie grob fahrlässig handeln. Also dann, wenn ein Ratsmitglied naheliegende Überlegungen nicht anstellt, wobei er sich dabei nicht auf seine Stellung als Laie berufen kann.
Dass der Antrag zur Beerdigung des Uferprojekts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Nachteile für die Stadt bringt, liegt auf der Hand. Wer solche Folgen stillschweigend in Kauf nimmt, begibt sich auf dünnes Eis.
Ein gefährliches Roulette, das CDU,FDP und SPD in Wildau spielen.
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