Reinhard Bolduan im Interview: Ein Gespräch über Schulzendorf

6. Juli 2023
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Reinhard Bolduan, Sprecher der Interessengemeinschaft Altanschließer Schulzendorf, mischt sich seit Jahren lautstark in das Geschehen der Gemeinde ein. Nicht immer zum Gefallen der Verwaltung und Teilen des Gemeinderates. Zu unbequem waren seine bohrenden Fragen beim Thema Altanschließer, Vorflächen, Klima- und Umweltschutz. Er feiert heute seinen 80. Geburtstag. Anlass, um mit dem Bürgerrechtler über Schulzendorf zu sprechen.

Seit Jahren setzen Sie sich bei Brennpunkten in der Kommune für die Interessen der Bürger ein, investieren darin viel Zeit. Zeit, die Sie auch in das Biotop auf ihrem Grundstück stecken könnten. Was treibt sie an?

Reinhard Bolduan: Lebenserfahrungen aus drei Systemen haben mich geprägt. Eine der wichtigsten ist, nicht alles zu glauben, was gesagt wird, sondern sich eine eigene Meinung zu bilden. Hinhören, wer, was und weshalb sagt und kritisch hinterfragen, natürlich auch den eigenen Standpunkt. Und auch ein breites Kreuz haben, seine Meinung zu vertreten. Egal, ob sie allen gefällt oder nicht. Ich bin so geprägt und solange es mir gesundheitlich gut geht, werde ich dem treu bleiben.

Reinhard Bolduan (Foto: mwBild)

Reinhard Bolduan (Foto: mwBild)

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Sie sind als Verfechter für eine umweltorientierte Ortsentwicklung bekannt. Wie bewerten Sie unter diesem Aspekt die Entwicklung der letzten Jahre in Schulzendorf?

Reinhard Bolduan: Spätestens als die Pläne zum Bau des Flughafens BER bekannt wurden, hätten der Bürgermeister und die Gemeindevertretung alle Flächennutzungs- und Bebauungspläne auf die Folgen für Natur und Umwelt prüfen müssen. Das wurde versäumt, weil die „Leuchtturmpolitik“ des Landes Brandenburg beschlossene Sache war. Diese Politik der Übernutzung ist die Ursache für das umweltpolitische Übel in Schulzendorf.

Ist das Wohngebiet Ritterschlag/Ritterfleck also ein Übel?

Reinhard Bolduan: Für unsere Natur ist das Wohngebiet alles andere als ein Segen. Der Ritterschlag ist ein Hotspot für den Klimawandel. Die Einfältigkeit und Enge der Bebauung, die Bodenversiegelung mit der Vernichtung von Sickerflächen zeigen, dass Gemeinderat und die Verwaltung ohne Rücksicht auf die Umwelt ein Renditeobjekt für eine Kapitalgesellschaft durchgewunken haben.

Oft haben Sie sich im Gemeinderat kritisch zu verschiedenen Themen geäußert. Oft mussten Sie sich respektloses Verhalten der Vorsitzenden des Gemeinderates, Winnifred Tauche (Die Linke) oder von Claudia Sölzel (Grüne) gefallen lassen. Demotiviert das nicht?

Reinhard Bolduan: Meine Ansichten zu lebendig gelebter Demokratie unterscheiden sich zu jenen der beiden Abgeordneten. Frau Tauche folgt meiner Ansicht nach einer Scheindemokratie, in der Abnicken und zur Kenntnis nehmen im Vordergrund stehen. Das, gepaart mit Arroganz der Macht und Überheblichkeit, ist auch dass, woran Teile der Linken kranken. Beide haften an der Denkweise, wir sind oben und beschließen. Mich demotivieren ihre Attacken nicht, im Gegenteil. Beide Abgeordnete entlarven sich und ihr Demokratieunverständnis damit selbst in aller Öffentlichkeit.

Sie haben bei der letzten Bundestagswahl die Grünen gewählt, haben später, wie Sie sagten, den Schulzendorfer Grünen die Stimme „entzogen“, warum?

Reinhard Bolduan: Weil sie keine umweltorientierte Sichtweise zur Ortsentwicklung haben. Oder ist es umweltverträglich, wenn sie ein Projekt vorantreiben, bei dem mehr als 20 Hektar Boden versiegelt werden sollen? Die Grünen vertreten Interessen, wessen auch immer, die nicht meine sind. Von daher ist die Kommunalwahl 2024 extrem bedeutsam. Wir werden entscheiden, wer uns besser vertreten kann.

Thema Heiz-Gesetz: Was muss die Gemeindeverwaltung tun, um Bürger fit für Entscheidungen zu machen, für welche Art Heizung sie sich entscheiden?

Reinhard Bolduan: Bekanntermaßen hat die Gemeinde eine Wärmeplanung zu erstellen. Ich warne davor, dass die Gemeinde bei diesem Thema ihren oft praktizierten autokratischen Stil folgt und den Bürgern das zur Kenntnis gibt, was Verwaltung und Gemeindevertreter hinter verschlossenen Türen  ausgetüftelt haben. Die Bürger sind von Anfang an in diese Planung zu involvieren.

Woran krankt es in der Gemeinde?

Reinhard Bolduan: Verwaltung und Gemeinderat sind nicht aufgeschlossen, neue Wege bei den zunehmend komplizierter werdenden Bedingungen kommunaler Arbeit zu gehen. Ein Bürgermeister, der ständig betont, dass er auf Beschlüsse der Gemeindevertretung wartet, die er dann umzusetzen wird aber gleichzeitig jammert, dass er kein Personal hat, handelt in meinen Augen zerstörend. Ein Bürgermeister muss treibende Kraft sein, voranschreiten, Ideen entwickeln, ganz unabhängig davon, ob ihm dann die Gemeindevertretung folgt.

Und wie kann man das heilen?

Reinhard Bolduan: Ist der jetzige Zustand in Schulzendorf überhaupt noch heilbar? Viele, nicht alle Gemeindevertreter, müssen endlich agieren statt ständig abzuwarten und aus parteipolitischen Erwägungen zu schweigen. Die Kommunalwahl 2024 kann eine Medizin sein, die hilft.

Es ist eine Debatte im Gang, was mit dem alten Gemeindeamt geschehen soll. Was meinen Sie?

Reinhard Bolduan: Ich finde, dass das alte Gemeindeamt umgebaut und ertüchtigt werden kann, mal unabhängig davon für welche Zwecke. Das übrige Areals könnte man mit eineinhalb geschossigen seniorengerechten Wohnungen bebauen.

Wie sehen Ihre Visionen von Schulzendorf aus?

Reinhard Bolduan: Ich kann mir eine Großgemeinde Eichwalde, Schulzendorf und Zeuthen vorstellen. Auch wenn es bis dahin noch ein weiter Weg ist. Aber die Zwänge in denen sich alle drei Kommunen befinden, machen einen solchen Schritt sinnvoll. Und ich kann mir ein Stadtwerk vorstellen, dass die Haushalte in Schulzendorf frei von fossilen Brennstoffen mit Wärme versorgt. Und ich kann mir auch eine große Photovoltaik-Anlage vorstellen, die uns mit Strom versorgt. Und ich wünsche mir einen Bürgermeister, der Meister seiner Arbeit ist und uns Bürger nicht für unerziehbar hält.

5 Responses to Reinhard Bolduan im Interview: Ein Gespräch über Schulzendorf

  1. Peter Schulze
    7. Juli 2023 at 01:02

    Schönes Interview. Und wieder krass zu sehen, dass heute ´die Alten´ bessere Ideen und mehr Durchblick haben, als viele, die jünger und innovativer sein sollten. Danke und alles Gute Herr Bolduan!

  2. Petra
    6. Juli 2023 at 19:08

    Schön, dass es Sie gibt.

  3. B.Hartenstein
    6. Juli 2023 at 17:06

    Hallo Reinhard, ein stolzes Alter hast du erreicht, Höhen und Tiefen des Lebens hautnah erlebt. Ich habe dich kennengelernt, der sich nicht beirren lässt von Bösartikeiten, Unverschämtheiten, der seine Meinung vertritt, egal ob es gefällt oder nicht. Das ist gut so und macht Mut.
    Ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag, eine kraftvolle Gesundheit und viele schöne Tage mit ebenso vielen Erfolgen.

  4. Erdbewohner
    6. Juli 2023 at 16:17

    @Petra P.: gelesen und stimme ihn da voll zu, insbesondere zum Verwalter!!
    Nächstes Jahr ist wieder BM Wahl, richtig? Wer wäre denn ein geeigneter Kandidat? Und kommt mir jetzt nicht mit Frau Tauche :(

  5. Petra P.
    6. Juli 2023 at 09:39

    Herzlichen Glückwunsch zum 80.
    Bleib gesund und weiter so aktiv für unser Schulzendorf. Es gibt viel zu tun.
    Ich hoffe, viele lesen dieses Interview.

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