Hallen – Skandal: Gutachter verheddert sich in Widersprüche

3. Februar 2017
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Zeuthen. Gestern tagte erneut Zeuthens Untersuchungsausschuss zur Durchleuchtung der Vorgänge um die Schließung der Sporthalle. Der Ausschuss erhofft sich genaue Erkenntnisse über die Gründe, weshalb die Hallenschließung durch Bürgermeisterin Beate Burgschweiger (SPD) erst vier Wochen nach Bekanntwerden eines Gutachtens erfolgte, dass einen schweren Mangel in der Dachkonstruktion nachwies.

Gutachter Pohle arbeitete schon öfters als Erfüllungsgehilfe der Gemeinde Zeuthen. (Foto: mwBild)

Gutachter Pohle arbeitete schon öfters als Erfüllungsgehilfe der Gemeinde Zeuthen. (Foto: mwBild)

Chef – Aufklärer Michael Wolter (CDU) hatte dazu Gutachter Henning Pohle eingeladen. Er hatte in einer Expertise, die dem Rathaus am 8. September vorlag, festgestellt: „Die Beschädigung ist an dem untersuchten Bauteil derart fortgeschritten, dass die Tragfähigkeit augenscheinlich erheblich eingeschränkt ist. Aus meiner Sicht ist aufgrund des vorgefundenen Schadensbildes Gefahr in Verzug.“

Bei seiner Befragung verstrickte sich Pohle, vor allem bei der Deutung des Begriffes „Gefahr im Verzug“, in Widersprüche. Es sei ein „weiter und dehnbarer Begriff“. Er habe für ihn die Bedeutung, „sich persönlich abzusichern“. Pohle weiter: „Ein hohes Gefährdungspotential habe ich nicht festgestellt. Ich habe nicht wahrgenommen, dass die Halle zusammenbrechen könnte.”

An anderer Stelle erklärt Pohle dagegen: „Ich kann nicht meine Hand ins Feuer legen, dass der Balken nicht nach unten krachen wird.”

Amtsleiterin Erika Brüsehaber übernahm bei der Deutung der Vokabel die Rolle von Pohles Souffleur: „Mit dem Begriff Gefahr im Verzug verbindet Herr Pohle die freihändige Auftragsvergabe ohne Ausschreibung.“

Karl - Uwe Fuchs (Foto: mwBild)

Karl – Uwe Fuchs (Foto: mwBild)

Der Kreistagsabgeordnete Karl – Uwe Fuchs (FDP) teilte diese Auslegung nicht. „Wenn tatsächlich alles völlig unproblematisch wäre, dann hätte Gutachter Koch (begutachtete an Anfang Oktober 2016 erneut die Halle – die Red.) nach seiner ersten Hallenbegehung nicht gesagt: Die Halle sofort schließen.“, so der Wirtschaftsrechtsexperte.

Für Fuchs steht zweifelsfrei fest, dass im Rathaus das Pohle Gutachten nicht ausreichend gewürdigt wurde. Die Schließung der Halle hätte unmittelbar nach dem 8. September und nicht erst am 4. Oktober 2016 erfolgen müssen.

In seiner Sicht wird er von einem ihn bekannten Bauamtsleiter beflügelt. Dem hatte Fuchs das Pohle – Gutachten vorgelegt und gefragt, welche Entscheidung er getroffen hätte. „Er hätte sofort die Halle gesperrt.“, berichtete Fuchs.

Heiko Witte (Fraktion SPD) sieht keine extreme Brisanz in der Expertise: „Das Gutachten sagt nicht, dass es eine Einsturzgefahr gab. Dieses Szenario ist an den Haaren herbeigezogen.“

Heiko Witte (Fraktion SPD), Foto: mwBild

Heiko Witte (Fraktion SPD), Foto: mwBild

Nachdem die Schließung der Halle Anfang Oktober hohe Wellen geschlagen und Politiker auf die Tagesordnung gerufen hatte, unternahm Pohle auf Bitten des Rathauses einen Rechtfertigungsversuch zur nicht erfolgten Hallensperrung. In einer E – Mail Nachricht erklärte er am 12. Oktober: „ Der Umfang des Schadens war in meinen Untersuchungen nicht erfassbar, schon gar nicht das Ausmaß, welches eine Sperrung der gesamten Halle erforderlich gemacht hätte.“

Amtsleiterin Brüsehaber sieht kein Makel am Handeln der Verwaltung. Man hätte schließlich mit der Beauftragung einer weiteren Einschätzung durch Gutachter Koch sofort reagiert. Indirekt ließ sie jedoch Zweifel an der Kompetenz von Gutachter Pohle aufkommen:  „Herr Koch kannte das Schadensbild aus seinem Berufsleben. Er konnte die Sache anders einschätzen als Herr Pohle, dem dieser Schaden noch nie begegnet ist.“

Fazit der Sitzung: Ein Außenstehender hätte durchaus den Eindruck gewinnen können, dass Gutachter Pohle die Gefahren um die Sporthalle aus seinem Gutachten herunterspielt.

11 Responses to Hallen – Skandal: Gutachter verheddert sich in Widersprüche

  1. Matthias Meyer, Miersdorf
    12. Februar 2017 at 12:10

    @Herr Witte: Ich kenne das Gutachten nicht, vertraue Ihnen da auch völlig. Ja, wenn er meint, es müsse ein weiterer Gutachter die Lage einschätzen, ist dagegen auch nichts zu sagen. Da hat die Verwaltung auch reagiert. Korrekt gehandelt, muss man sagen. Die entscheidende Frage ist aber eine andere.Hätte die Verwaltung bereits nach dem ersten Gutachten die Halle schließen müssen, auch wenn das Wort Einsturzgefahr im Gutachten nicht genannt wurde. Ich kenne zwar das Gutachten nicht. Jedoch nach dem, was ich hier gelesen habe,würde ich meinen ja. Wir werden sehen, was heraus kommt. Vielen Dank für ihre offenen Worte.

  2. Heiko Witte
    9. Februar 2017 at 18:44

    Herr Meyer, ich möchte mich noch kurz zu meiner Sichtweise äussern. Wie gesagt, ging es bei der Befragung von Herrn Pohle darum zu verstehen, wie seine Stellungnahme zu deuten ist. Also nicht um die Auslegung dritter. Das heißt, dass eine sehr deutliche Empfehlung ausging, einen entsprechenden Fachgutachter für die Balken einzuschalten- und zwar unverzüglich. Das hat die Verwaltung auch getan. Nicht aber, die Halle sofort schließen zu lassen. Wäre eine solche Einschätzung bei meinem Haus erfolgt, hätte ich sicher ähnlich gehandelt.

    Die Frage, warum nicht sofort ein entsprechender Fachgutachter beauftragt wurde, kann ich nicht beantworten- sie wird vielleicht in kommenden Ausschisssitzungen zur Sprache kommen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Heiko Witte

  3. P. Kleinert
    5. Februar 2017 at 11:49

    Ich möchte einen weiteren Aspekt ins Spiel bringen, der das Fehlverhalten, vor allem der Bauverwaltung, zeigt. Die Gemeinde hätte Herr Pohle mit dieser gutachterlichen Stellungnahme gar nicht beauftragen dürfen. Im Bauamt sitzen Fachleute, die müssen wissen, welche Baufachleute ich für welche Probleme hole. Ihnen waren die verdächtigen Erscheinungen an tragenden Holzelementen bekannt. Sie hätten von vornherein einen Statiker und nicht einen Wald und Wiesen Architekten beauftragen müssen. Die Aussage von Frau Brüsehaber sagt da sehr viel aus. Wenn ich Zahnschmerzen habe, gehe ich auch zum Zahnarzt und nicht zum Orthopäden.

  4. Matthias Meyer, Miersdorf
    5. Februar 2017 at 10:18

    Mein Respekt Herr Witte, dass Sie sich der öffentlichen Diskussion stellen. Das ist nicht selbstverständlich. Ich gestehe offen, dass ich im Augenblick der Argumentation von Herrn Fuchs folge. Ich möchte aber Ihren Standpunkt auch verstehen, um mir ein Urteil zu bilden. Ich kann Ihren Schluss, weil im Gutachten eine Einsturzgefahr explizit nicht genannt wird, gab es sie auch nicht, nicht folgen. Im Kern trifft er zwei wesentliche Aussagen, er schreibt von erstens einer erheblichen (!!!) Einschränkung der Tragfähigkeit und er sagte im Nachhinein, dass er zweitens nicht garantieren konnte, dass ein Balken herunter gestürzt wäre.
    Meine Frau, meine beiden Kinder und ich schlafen, wie viele andere wahrscheinlich auch, im Dachgeschoss eines Einfamilienhauses. Wenn ein Gutachter mir ein solches Urteil über Teile meines Dachstuhles gefällt hätte, hätten wir ab da, bis zum Abschluss der erforderlichen Reparaturen, im Erdgeschoss übernachtet und uns auch dort aufgehalten. Weil darüber noch eine Betondecke liegt. Ich allein wäre ein Risiko eingegangen, hätte täglich Sachen usw. von oben nach unten geholt.
    Letztlich ist nicht entscheidend, was der Gutachter mit seinem Gutachten bezwecken wollte (weitere Untersuchungen usw.) Entscheidend ist, welche Entscheidungen die verantwortlichen Mitarbeiter im Rathaus nach Bekanntwerden dieses Gutachtens hätten treffen müssen. Die Halle offen zu lassen, bis weitere Untersuchungen ein gleiches Ergebnis bringen, und bis dahin mit dem Risiko zu leben, dass vielleicht doch ein Balken herunterstürzt, wie es der Gutachter ja nicht ausschloss, halte ich für eine Fehlentscheidung.

  5. Heiko Witte
    4. Februar 2017 at 21:49

    Herr Meyer, “Zeuthener”, eine Parteibrille habe ich nicht, und parteipolitische Rücksichtnahme ebenso nicht, da ich keiner Partei angehöre. Richtig ist, dass ausschließlich Fakten zählen…und Herr Pohle hat in der Befragung bestätigt, dass er in seinem Gutachten zwar mit Gefahr im Verzug unmittelbares Handeln im Sinne weiterer Gutachten und Untersuchungen fordert, aber nicht die Notwendigkeit einer Sperrung, und auch diese nicht gefordert hat.. Alles andere sind Behauptungen und “alternative Fakten”.

  6. Matthias Meyer, Miersdorf
    4. Februar 2017 at 13:39

    Es sollten bei der Untersuchung ausschließlich Fakten und Tatsachen zählen. Parteipolitische Rücksichtnahme ehrt Sie, aber ist bei dieser ernsten Sache völlig unangebracht, Herr Witte. Die Ignoranz der bestehenden tatsächlichen Gefahr und damit die Verletzung der Sorgfaltspflicht durch die Verwaltung ist nicht hinnehmbar. In Bad Reichenhall war ein ungeeigneter Kleber für das Leimholz die Ursache für 15 Tote. Der Vorgang wurde begleitet von Unzulänglichkeiten der Stadtverwaltung. Bei uns ist wahrscheinlich eine ungeeignete Farbe der Grund, die Holz vergammeln ließ, wie in der MAZ zu lesen war. Dem lieben Gott sei gedankt, dass nichts passiert ist. Die Halle hätte nach Vorliegen des Gutachtens bereits im September geschlossen werden müssen. Aber man hat Gefahren und theoretisch mögliche Folgen für hunderte Kinder schlicht in Kauf genommen, so deutlich muss man das mal sagen. Was bedeutet denn, „erhebliche Einschränkung der Tragfähigkeit“? Dass eine Konstruktion nicht mehr stabil und standsicher, also einsturzgefährdet!!! ist. Sie kann brechen oder knicken. Und wenn sich jetzt der Gutachter hinstellt, dass alles nicht so gemeint war und er sich mit „Gefahr im Verzug“ nur absichern wollte, dann sollte hier sofort die Architektenkammer eingeschaltet werden.

  7. Tiefflieger
    Tiefflieger
    4. Februar 2017 at 09:47

    Wenn Herr Pohle nicht seine Hand dafür in Feuer legen kann, dass Holz herunterstürzt, dann ist doch die Sache völlig klar. Dann kann er eine Einsturzgefahr nicht ausschließen. Und je länger man wartet und nichts tut, desto größer wird die Gefahr, dass etwas passiert. Das bedeutet Gefahr im Verzug. Ich verstehe die ganze Debatte nicht.

  8. Olli
    4. Februar 2017 at 07:39

    Einfach abenteuerlich, wie Versäumnisse glatt gebügelt werden sollen.Die Tante aus dem Rathaus denkt auch, wir Bürger sind bekloppt.

  9. Zeuthener
    3. Februar 2017 at 19:02

    Es ist schon sehr anrüchig, wenn ausgerechnet Vertreter der Partei, in der „zufällig“ auch Frau Burgschweiger politisch tätig ist, aus dem Gutachten keine Notwenigkeit für eine Sperrung erkennen. Herr Witte ich bitte Sie die Sache nicht mit der Parteibrille zu sehen. Tatsache bleibt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Tragfähigkeit vom Holz festgestellt wurde. Ist dieser Gutachter unabhängig? Die Antwort ist einfach. Dessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe.

  10. Joachim Kolberg
    3. Februar 2017 at 18:50

    Gefahr im Verzug (GiV) ist ein Begriff aus dem deutschen Verfahrensrecht. Er bezeichnet eine Sachlage, bei der ein Schaden eintreten würde oder ein Beweismittel verloren ginge, wenn nicht an Stelle der zuständigen Behörde oder Person eine andere Behörde oder Person tätig wird. Sprachlich ist der Begriff in Form von „Gefahr [liegt] im Verzug“ zu konkretisieren, wohingegen „Gefahr in Verzug“ eine fehlerhafte Anwendung des Begriffs ist, da „Verzug“ die Ursache der Gefahr darstellt und nicht deren Zustand. Im Rechtslatein steht periculum in mora für „Gefahr bei Verzögerung“.

  11. besserwisser
    3. Februar 2017 at 18:27

    Ist doch ganz einfach:
    Wir haben derzeit Schneee (hohe Last)—also ab in die Halle und schauen ob sich die Balken biegen.

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