Die Sorgen vor einem Ritterschlag 2.0 wachsen, nicht nur in Zeuthen

27. Mai 2022
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Zeuthen. Das Schulzendorfer Wohngebiet Ritterschlag/Ritterfleck ist nach Ansicht vieler in Dahme-Spreewald ein Negativbeispiel für die Entwicklung eines Wohngebietes. Grün- und Erholungsflächen sind Mangelware, die Bebauung ist zu eng, die Architektur wirkt monoton.

„Wollen wir das in Zeuthen?“, fragte vor Monaten NABU-Aktivistin Juliane Bauer, die beruflich als Umweltsachverständige beim Berliner Senat für Stadtentwicklung tätig ist, in einer öffentlichen Diskussion zum Thema Leitbild.

Doch genau das könnte im Zeuthener Winkel eintreten.

Ein Blick zurück: Ende der 90 er Jahre wurde in Zeuthen parallel ein Flächennutzungsplan (FNP) und ein Bebauungsplan (B-Plan) „Zeuthener Winkel“ mit 300 Wohneinheiten entwickelt. Nach Intervention des Landes musste das große Neubaugebiet jedoch in drei Abschnitte geteilt werden. Im Jahr 2000 wurden der FNP und der erste B-Plan „Zeuthener Winkel (Nord)“ beschlossen, 2006 folgte der südliche Teil. Nur der mittlere Teil wurde bis heute nicht rechtskräftig.

Zeuthener Winkel

Zeuthener Winkel

Mit nur einer Stimme Mehrheit billigte im Februar 2022 der Zeuthener Gemeinderat den „Vorentwurf“ des B-Planes Zeuthener Winkel Mitte, der jedoch weit mehr Flächen und Bebauungsmöglichkeiten vorsieht als die ursprünglichen Pläne von 2000. Neben Einfamilienhäusern sollen nun auch Mehrfamilienhäuser möglich sein, ebenso sind Nutzungen als Mischgebiet mit nicht störendem Gewerbe sowie Flächen für soziale Zwecke und Fotovoltaik auf der ehemaligen Deponie vorgesehen.  Weiterhin wurde eine frühzeitige öffentliche Auslegung beschlossen.

Das setzte eine Diskussion über die Besiedlung in Gang. Zeuthener haben Sorgenfalten im Gesicht, sie fürchten eine Bebauung zu Lasten der Natur. Das Areal ist die letzte große Freifläche, die mit ihren Wiesen und Biotopen einen hohen Wert aufweisen, argumentieren Zeuthener und Naturfreunde.

„20 Jahre Zeuthener Winkel haben gezeigt, dass die ursprüngliche Planung auch Schwächen hatte. Andere Nutzungen und Flächen sind daher nachvollziehbar. Dies darf aber nicht zu Lasten der Natur gehen. Wenn man an einer Stelle mehr bauen will, muss man an anderer auch reduzieren“ fast Professor Jonas Reif (Bündnis90/Die Grünen) den aus seiner Sicht nicht zustimmungsfähigen Planungsstand zusammen.  Reif weiter: „Leider wurden auch die Hinweise zum gesamträumlichen Naturerhalt aus dem Flächennutzungsplan im Zusammenhang mit der Entwicklung der Baugebiets bis heute nicht umgesetzt.“

Auch Schulzendorfer sehen eine Bebauung mit Bedenken. Nicht nur wegen der Sorge um Flora und Fauna. Auch weil die Infrastruktur der Entwicklung von Baugebieten hinterherhinkt, fürchten sie ein Kollaps in den Einkaufeinrichtungen des Ortszentrums und ein Chaos auf den Straßen.

Juliane Bauer aus Zeuthen (Foto: (Screenshot Gemeinde Zeuthen/mwBild)

Juliane Bauer aus Zeuthen (Foto: (Screenshot Gemeinde Zeuthen/mwBild)

Zeuthens Gemeinderäte stehen vor einer Herkules Aufgabe. Beschließen sie am Ende das Giga-Projekt, ist der Gemeindefrieden in großer Gefahr. Fällt der B-Plan Mitte ins Wasser, fällt auch die Infrastruktur Ausgleichszahlung des Investors in Millionenhöhe ins Wasser. Von 6 bis 10 Millionen ist die Rede. Das Geld wird aber dringend für die Errichtung der Schule gebraucht.

FDP-Chef Karl Uwe Fuchs zur Bebauung: „Wir sind vom Vorhaben nicht begeistert. Die Bebauung ist zwar schlüssig, aber der Zeitpunkt ist falsch. Denn die nötige Infrastruktur für das Wohngebiet ist in Zeuthen aktuell nicht vorhanden.“

Die SPD sieht die Bebauung kritisch, auch die CDU murrt, beide haben wohl, wie die Fraktion Bürger für Zeuthen, die Millionen für den Schulbau im Focus.

Ablehnung kommt von den Linken. “Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Kitas und Schulen auch in Zeuthen an ihren Kapazitätsgrenzen sind. Die Situation würde sich mit der Bebauung des Zeuthener Winkels weiter verschärfen. Auch Umweltaspekte würden einer Bebauung entgegenstehen.”, konstatiert Robert Seelig (Die Linke).

Respekt verdienen Zeuthens Gemeinderäte. Sie sandten den Bewohnern ein glasklares Signal: Ihr könnt bei dem Vorhaben ein Wörtchen mitzureden. Ein Workshop wurde für sie veranstaltet. Nicht in allen Kommunen der Region ist das so.

Zeuthens Bürger haben eine Riesen Chance mitzubestimmen. Sie müssen sie nur noch ergreifen. Dichter Friedrich Schiller: „Wer nichts waget, der darf nichts hoffen.“

17 Responses to Die Sorgen vor einem Ritterschlag 2.0 wachsen, nicht nur in Zeuthen

  1. Holger
    7. Juli 2022 at 21:10

    Die Bebauung des vorher viel umworbenen “Ritterfleck” entpuppte sich als totale Fehlplanung. Schlimm allein der Anblick! Da in Bezug auf den “Zeuthener Winkel” und dessen geplante bauliche Erweiterung von der dafür nicht vorhandenen Infrastruktur die Rede ist, möchte ich an dieser Stelle einmal die unzureichend vorhandenen und teilweise schiefen Gehwege und die ebenso schlimmen Straßen ansprechen. Kann man diese Mängel nach über 30 Jahren Wiedervereinigung nicht endlich einmal abstellen?

  2. Bewohner
    7. Juni 2022 at 09:55

    @Peter:

    Ich rede jeden Tag ganz viel mit den Zugezogenen und meistens sitze ich mit denen auch noch beim Abendbrot zusammen.

    PS: Wenn Du meinen ersten Beitrag richtig verstanden hättest, dann hättest Du erkannt, dass ich mit den Zugezogenen nicht das geringste Problem habe. Und auch die Performance der Gemeindevertretung war nicht optimal. Aber unabhängig davon ist Schulzendorf ein schönes Fleckchen. :-)

  3. Peter
    3. Juni 2022 at 10:04

    @günni und @bewohner
    Was können die Zugezogenen dafür wenn die Gemeinde versagt hat ??
    Wenn ihr ein Problem mit denen habt – geht doch mal dorthin und sagt es ihnen – immer einfach hier den Mund soweit aufzumachen oder ??

  4. Galle
    30. Mai 2022 at 08:18

    Bürgerbefragungen ? Welch ein modisches Wort . Habt Ihr von den “demokratischen” Kommunalwahlen nicht schon genug ?
    In Glasow wurde der Vorschlag unterbreitet, Windkraftanlagen aufzustellen, um den noch nicht genehmigten BBI in den Einflugschneisen zu behindern. Die Bürger haben das wegen der Verschandelung der Landschaft abgelehnt. – Und dann soll eine Bürgerentscheid in Zeuthen fallen, der gegen die Schaffung von Sozialwohnungen ist ? Der Bürger ist doch so etwas von bequem, der findet doch auch Fluglärm noch so schön und stimmt zu, dass der Krach Naturcharakter hat.

  5. Zeuthener
    29. Mai 2022 at 14:48

    Schließe mich Petra an, eine Umfrage unter den Bewohnern wäre die gerechtes Sache.

  6. B.Hartenstein
    29. Mai 2022 at 10:33

    Ok,dann war das ein Missverständnis.
    Wenn GV und Bürger nicht an einem Strang ziehen, kommt eben so was dabei raus und der Eigennutz siegt.
    Aber wie soll/kann man das in diesem mittlerweile gesell.-politisch fast kaputten Land ändern,um einigermaßen Gerechtigkeit zu haben?
    Mir gehen die Ideen aus.

  7. Petra
    29. Mai 2022 at 09:52

    Ich weiß nicht wieviele Gemeindevertreter es in Zeuthen gibt, ich sage mal 20. Diese 20 Abgeordneten können nicht allein über ein Projekt dieser Tragweite entscheiden. Ich finde, eine Bürgerbefragung unter den Wahlberechtigten sollte entscheiden.

  8. Insider
    29. Mai 2022 at 08:47

    HIT und Bonava haben nicht die Menschen, die Natur und den Ort im Blick, sondern ausschließlich ihren Gewinn. Und weil die Gemeindevertretung einen fehlerhaften Vertrag über die Folgekosten beschloss, müssen die beiden Investoren keinen Cent für eine Kita oder Schule zahlen. Das übernehmen die Steuerzahler. Das sind doch wirklich gute Geschäfte.

  9. karo
    29. Mai 2022 at 08:24

    ich möchte betonen es geht hier nicht um die bewohner. es geht um die. die dieses wohnvietel verbockt haben. verwaltung, investoren. bauherren ….

  10. BingeLaden
    28. Mai 2022 at 22:14

    Hier wird überhaupt nicht pauschal über die Bewohner des Ritterschlag/Ritterfleck geredet. In dem Artikel/Kommentaren wird über die Bauweise des Ritterschlag/Ritterfleck geredet. Und die ist auch in meinen Augen schlimm.

  11. B.Hartenstein
    28. Mai 2022 at 20:01

    @Bewohner
    Ironie ist immer gut und oft kann sie auch richtig weh tun.
    Das finde ich auch nicht richtig, immer gegen die Bewohner der neuen Wohngebiete zu hetzen. Diese Menschen haben bestimmt nicht die Baupläne erdacht. Egal warum diese Menschen nach Schulzendorf gezogen sind, sie sind jetzt genauso Mitbewohner wie wir Altvorderen. Und spätestens bei der nächsten Wahl sollten wir alle gemeinsam über die Zukunft von Schulzendorf reden.
    @Galle
    Stimmt, Waltersdorf wollte mit Schulzendorf zusammen gehen, 1991. Verhindert und abgelehnt hat das die SPD-Fraktion mit der Begründung,dass es in Waltersdorf keine SPD gab. Ich habe es mit erlebt.

  12. Bewohner
    28. Mai 2022 at 17:06

    Ritterschlag, Ritterfleck, Mühlenschlag, Euch Berg, Schulzendorf-Mitte, Neu-Schulzendorf alles ein Eingriff in die Natur. Und dann die Leute, die dort wohnen.

    Ich finde bis auf Alt-Schulzendorf sollte man alles wieder abreißen.

    Und für die unter Euch, die Ironie nicht verstehen… Das war ironisch gemeint.

    Ich finde es schade, wie pauschal hier über Menschen aus einem Wohngebiet geredet wird.

  13. Bürger zweiter Klasse
    28. Mai 2022 at 12:45

    @GünniK

    richtig, mehr braucht man nicht sagen

  14. Galle
    28. Mai 2022 at 11:38

    Mit der Standort – Zulassung – unter dem Jubel der Zeuthner – des BERs , ist unsere Ecke ein einziges Lärmklo. Da kann man nur Einheitsklotzer hinbaun, die dem Kreditrahmen entsprechen und damit keine Vögel mehr nichten können- sonst gibt es Vogelschlag für die Flugzeuge. Im Zeuthener Winkel nistete mal die größte Möwenkolonie in Brandenburg und jetzt ?

    Die Idee war , dass Bürger aus ZES sich da ansiedeln, weil sie wegen Rückübergabeansprüchen die Gemeinde sonst verlassen könnten. Die Entwicklungsvorstellungen waren sehr weit, auch an die Anbindung an die BAB 113 waren real. Und heute ?

    Der Landesentwicklung ist 2022 gegenüber 1995 das alles egal, es werden alle Flächen zugebaut, deren Träume es 1990 von der Ortsfürsten gab. Selbst Flächen, die aus der Landesplanung gestrichen wurden – sind plötzlich aus dem Nichts wieder da.

    Es ist nichts anderes als Tesla –

    Bin mir aber sicher, dass diese ganze Träumerei bald vorbei ist. Für Bauen ist einfach kein Gelde mehr da. Und wenn uns ein aufschlagender Aluvogel mal wieder besucht, dann ist der Aufschrei wieder groß ! Blaba – ja richtig, Schulzendorf sollte ja auch schon mal mit Waltersdorf verbunden werden- nur kamen die Russen am 12.12.86 vorbei und landeten ihre TU 134 im Wald . Waren 72 Tote – heute fahrt die Bahn über die Absturzstelle …. Und das Wohngebiet Waltersdorf wanderte nach Schönefeld ….ist Sperrgebiet !

  15. GünniK
    27. Mai 2022 at 20:55

    Oh ja KARO. Ein Schandfleck der die ländliche Idylle zerstörte und was dieser für Leute hervorgebracht hat…

  16. Dongikong
    27. Mai 2022 at 19:36

    Bitte nicht noch so ein Gebiet.
    Aber es ist schon mal schön, das die Gemeinde selber festgestellt hat, daß die Infrastruktur vorne und hinten nicht passt.
    Schulzendorf ist ja nu das beste Beispiel dafür, soetwas nicht zu machen.

  17. KARO
    27. Mai 2022 at 18:11

    Ja der Ritterschlag Schulzendorf ist ein Schlag ins Gesicht der Möglichkeiten der Verwendung von Baumaterialien und Leistungsspektrum von Architekten. Es regieren: Billigbau und Einnahme von Mieten pro Quadratmeter. Häßlicher kann ein Wohngebiet im Grünen nicht sein.

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