Prof. Jonas Reif: „Wasser halten, halten und nochmals halten“

25. August 2021
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In der kommenden Woche wird der Regionalausschuss über die Entwicklung des Ebbegrabens in Schulzendorf und Zeuthen debattieren. Darüber und über Klimaveränderungen sprach Der Schulzendorfer mit Prof. Jonas Reif (Bündnis 90/Die Grünen)

Mehrere Gräben durchschneiden Schulzendorf (Foto: mwBild)
Mehrere Gräben durchschneiden Schulzendorf (Foto: mwBild)

Gibt es den Klimawandel wirklich?

Prof. Jonas Reif: Seit der Entstehung der Erde gibt es einen ständigen Klimawandel. Der Unterschied, den wir jetzt beobachten: Noch nie war ein Klimawandel so extrem. Der CO²-Gehalt der Atmosphäre blieb trotz Warmphasen in den letzten 400.000 Jahren immer unter 300ppm, jetzt sind wir schon bei 419ppm. Die letzten Monate und Jahre haben gezeigt, dass die Klimaveränderung auch bei uns immer deutlichere Spuren hinterlässt. Wir müssen endlich handeln – viel intensiver als bisher. Auf lokaler Ebene müssen wir uns aber auch den Veränderungen anpassen, die nicht mehr zu verhindern sind.

Nach Ansicht des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist nicht bewiesen, dass der Klimawandel die verheerende Flutkatastrophe im Westen Deutschlands ausgelöst hat. Es hieß, dass es ein Einzelereignis war. Schlagen Sie nicht unnötig Alarm?

Prof. Jonas Reif: Man wird Einzelereignisse wissenschaftlich nie zu 100% einen globalen Entwicklung zuordnen können. Man kann aber sehr wohl sagen, dass Extremwetterereignisse deutlich zunehmen. Die vielen Toten, die wir in diesem Sommer in Rheinland-Pfalz und NRW zählen mussten, sind aber nicht allein dem Klimawandel und nicht funktionierenden Alarmsystemen geschuldet, sondern auch der falschen Landnutzung und Wasserableitung. Die Landschaft ist nur noch bedingt in der Lage, Wasser zu speichern, stattdessen wird versucht es schnell abzuleiten.

Lassen sich die Bedingungen von Ahrweiler mit denen im Dahmeland vergleichen?

Prof. Jonas Reif: In Teilen schon. Zunächst muss jede Region für sich eine Abschätzung von Risiken vornehmen. Die Prognose für Brandenburg sieht in erster Linie verstärkt sommerliche Hitze- und Dürreperioden auf uns zukommen. Wer sich genauer mit den Annahmen des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung (PIK) beschäftigt, der wird erkennen, dass uns – genauso wie dem Landkreis Ahrweiler – Extrem-Niederschläge drohen. Wir müssen also lernen, sowohl mit sehr wenig als auch mit sehr viel Wasser umzugehen. Wir sehen auch häufig nur direkte Klimafolgen, nicht jedoch die Sekundäreffekte.

Prof. Jonas Reif (Bündnis 90/Die Grünen), Foto: mwBild
Prof. Jonas Reif (Bündnis 90/Die Grünen), Foto: mwBild

Was sind Sekundäreffekte?

Prof. Jonas Reif: Seit Jahren sinkt in der Region der Grundwasserspiegel. Man muss davon ausgehen, dass ein Großteil der Altbäume nur durch den Grundwasseranschluss der Wurzeln so gut mit den sonst so schlecht wasserspeichernden Sandböden umgehen kann. Sinkt der Wasserspiegel weiter, könnte unsere grüne Region schnell ganz anders aussehen. Wenn man genau hinsieht, dann kann man auch schon erste Folgen erkennen – vor allem absterbende Kiefern, Fichten und Birken. Zu wenig Jahresniederschlag reduziert auch die Fließgeschwindigkeit der Flüsse, hohe Temperaturen lassen den Sauerstoffgehalt der Seen sinken und Algen stärker vermehren. Die ohnehin schon schlechte Wasserqualität wird noch schlechter.

Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen. Möchten Sie das Sprengen im Garten verbieten?

Prof. Jonas Reif: Nein, das Bewässern im Garten ist aus meiner Sicht kein Problem – zumal im Sandboden überschüssiges Wasser ohnehin versickert und wieder zu Grundwasser wird. Sinnvoller würde ich es finden, wenn man gereinigtes Wasser aus Klärwerk Waßmannsdorf wieder auf den ehemaligen Rieselfeldern versickern lassen würde, statt es in den Teltowkanal zu leiten. Eine andere große Stellschraube ist der Waldumbau: Weg von den Kiefernmonokulturen, hin zu Laubmischwäldern mit geringem Kiefernanteil. Auch andere immergrüne Nadelgehölze sollten gemieden werden.

Warum? Kiefern sind doch typisch für Brandenburg.

Prof. Jonas Reif: Vor tausend Jahren waren eher Eichen typisch für unsere Region. Die Kiefer – so wie wir sie kennen – entstammt forstlichem Wissen von vor 100 Jahren. Kiefern und Fichten sind doppelt problematisch: Zum einen enthalten sie Harze, die die Waldbrandgefahr deutlich erhöhen. Zum anderen Verdunsten sie auch im Winter Wasser, sofern die Böden nicht gefroren sind. Die Zahl der Frosttage geht jedoch zurück. Anders als im Laubwald, unter dem sich im Winter neues Grundwasser bilden kann, werden Nadelwälder so immer weniger „Grundwasserwirksam“.

Was müsste noch getan werden?

Prof. Jonas Reif: „Wasser halten, halten und nochmals halten“ müsste die Devise lauten. Das schnelle Ableiten von Regenwasser in die „Vorflut“, also Gräben, Flüsse und Seen muss verhindert werden. Aufgrund des Planfeststellungsbeschlusses zum Flughafen BER muss der Flutgraben leider eine gesicherte Abflussmenge garantieren, wodurch Renaturierungen und Wasserstau hier erheblich erschwert sind. Umso mehr müssen wir die anderen Gräben betrachten. Der Zeuthener Umweltausschuss hat sich zum Beispiel den Ebbegraben näher angesehen und dort ein erhebliches Potential für Wasserrückhalt erkannt. Hier sind wir aber auf die Unterstützung von Schulzendorf angewiesen.

Inwieweit braucht es hier Schulzendorf?

Prof. Jonas Reif: Vor seiner Mündung in den Flutgraben bildet der Ebbegraben die Grenze zwischen den beiden Gemeinden. Ein paar hundert Meter davor liegt eine große Niederung, in der heute ein Erlenbruchwald steht – weitgehend auf Schulzendorfer Territorium. Hier ließe sich viel Wasser stauen, ohne dass es zu negativen Folgen kommt. Deshalb wollen wir dieses Thema beim kommenden Regionalausschuss ansprechen.

4 Responses to Prof. Jonas Reif: „Wasser halten, halten und nochmals halten“

  1. Jonas Reif
    26. August 2021 at 20:42

    @Groej: Ich will das Schwermetallproblem nicht ausblenden, aber die Untersuchungen der BWB in Schönerlinde/Hobrechtsfelde – auf die Sie wohl anspielen – endeten durchaus vielversprechend. Sicherlich kann man ein Rieselfeld nicht einfach so wieder in Betrieb nehmen, sondern es braucht ein gutes Nuttzungskonzept und Monitoring.

    Aber lassen Sie uns mal zurück nach Zeuthen und Schulzendorf kommen: Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, das Regenwasser versickert gehört und nicht in den Abwasserkanal.

    Um sich noch mal die Niederung, in der aus unserer Sicht mehr Wasser gestaut werden kann, sich vor Augen zu führen, sollte sich diese Karte ansehen:

    https://bb-viewer.geobasis-bb.de/?projection=EPSG:25833&center=404901.53710814635,5801785.430149662&zoom=10&bglayer=1&layers=16,19,21,25

    PS: Die Verdungstung wird oft zu negativ gesehen. Neben der direkter Verdunstungskühlung ist sie auch für den kontinentalen Wasserkreislauf von großer Bedeutung, siehe Seite 19ff hier https://www.gebaeudegruen.info/fileadmin/website/downloads/bugg-vortraege/ditzingen2019/07Marco_Schmidt_Verdunstungsleistung_Gebaeudegruen.pdf

  2. Groej
    26. August 2021 at 18:38

    @ Jonas Reif Sie negieren die Schwermetallbelastung und die Ergebnisse der Versuchsanlagen der BWB. Die Ablösung der über 100 Jahre alten Riesefelder erfolgte auch aus Gründen, dass die Flächen nicht mehr erweiterbar waren und keine Arbeitskräfte mehr zur Verfügung standen .

    Die These, dass eine Abwasserbehandlungsanlage besser reinigen kann, ist aus meiner Sicht nicht nachweisbar. Es ist aber richtig, dass eine P- Eleminierung mit Werkstoffrückführung und eine Schlammbehandlung – auch mit Ernergiegewinnung besser durchgeführt werden kann.

    Wasser muss gespart werden und Regenwasser muß vor Ort belasten werden , sowie Wasser ist zu verdunsten zu Schade

  3. Jonas Reif
    26. August 2021 at 15:47

    @Groej: Ich möchte Sie eher ergänzen, als Ihnen widersprechen. Ja, die Rieselfelder wurden um 1990 weitgehend stillgelegt – aus durchaus verständlichen Gründen: Dies lag vor allem daran, dass man das Abwasser in Kläranlagen besser reinigen konnte als es natürlich der Boden vermag. Waßmannsdorf ist eine moderne Kläranlage und wird in den nächsten Jahren weiter verbessert. Mir geht es darum, dass das schon geklärte Wasser wieder auf die Rieselfelder ausgebracht wird. Sie haben auch Recht damit, dass die Rieselfelder in der Regel belastete Böden darstellen. Man darf aber nicht unberücksichtigt lassen, dass zumindest einige Schadstoffe dort erst durch die Mineralisierung in Folge der Trockenlegung der Flächen freigesetzt wurden bzw. eine natürliche Auswaschung durch Regenwasser auch so stattfindet.

  4. Groej
    26. August 2021 at 11:20

    Herr Prof. Reif mag viele gute Ansätze hier vortragen, aber es sei erinnert, dass seine Partei im Wasserhaushalt maximalen Schaden angerichtet hat, einschließlich die Naturschutzverbände.

    Es ist richtig, dass die Regulierung des Wasserhaushaltes auch wirtschaftliche Interessen entgegenstehen und jeder Bürger da auch nicht immer ein gutes Bild abgibt.

    Da ja immer nach Beispielen gefragt wird : Die Verdichtung der Besiedlung am Selchower Flugraben ( im Bereich Ernst Thälmann Straße ) ist hier Anlaß zur Sorge- da brauchen wir nicht mal in die ganze Welt schauen. Alte Schulzendorfer können sich noch an Hochwasser an diesen Stellen erinnern – jetzt sind die Bereiche aufgeschüttet und bebaut – und wo bleibt das Wasser ?! Ein Wasserrückhalt und Ausweich ist da nicht gegeben.

    Prof. Reif erklärt, dass die belasteten Rieselfelder zur Wasserzurückhaltung wieder genutzt werden sollten . Warum wird die Belastung der Rieselfelder ( Böden ) ausgebendet ? Es waren die Umweltschützer, die die Verbringung von aufbereiteten Wasser zur Untersagung geführt haben. Selbst ein Gießen von Blumen mit gereinigten Wasser ist nicht erwünscht ! Deshalb ist die Einleitung von Aufbereitungsanlagen in offene Gewässer vorgegeben . Auch der Wahn, die Abwasseraufbereitung durch eine 4 besser 5 Reinigungsstufe vorzusehen, steht im krassen Widerspruch, dass schon heute Abwasserhandlungsanlagen die größten Stromverbraucher in unseren Kommunen sind.
    Die Liste der Beispiele kann man fortführen, nur liegt es an uns selbst zu handeln. Erinnert sein nur, wie viel Beton in den Gärten wächst und wie viele Autos im Straßengraben stehen- hier wird der Boden verdichten und eine Wasseraufnahme ist nicht ermöglich- obwohl in diesen Anlagen generell ein Überfahrverbot gilt. Wenn interessierst, selbst das Klo wird nur als Mülltonne gehandelt.

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