Klartext – Interview mit Hans-Georg Schnaak: „Wir sind mitten im kalten Krieg“

27. Oktober 2014
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Seit vielen Monaten tobt rund um den Ukrainekonflikt ein regelrechter Informationskrieg. Medien aus Russland erreichen mit alternativen Sichten immer mehr Menschen, die westliche Presse bangt um ihre Deutungshoheit. Über die Berichterstattung und darüber, was die Menschen in Russland über diesen Konflikt denken, sprach Der Schulzendorfer mit Hans-Georg Schnaak. Er arbeitet seit 23 Jahren in der russischen Hauptstadt Moskau als Redakteur der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Novosti, die Ende vergangenen Jahres in die neu gegründete Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya eingegangen ist.

Herr Schnaak, wie bewerten Sie die Berichterstattung in Deutschland über die Ukrainekrise und über die Rolle Russlands in dem Konflikt?

Zu meinem Leid als Journalist bestimmen oft Unterstellungen, nicht belegte Behauptungen und teilweise sogar Hetze die Inhalte vieler deutscher Medien. So betitelt der Spiegel Russlands Präsident Putin als „Brandstifter“ und „Halbstarken“. Es wird ein schlechtes Russland Bild gemalt und Informationen werden zum Teil  entstellt verbreitet. Das ist eine völlig neue Art der Auseinandersetzung. Wir sind mitten drin im Kalten Krieg.

Sie sprachen von nicht belegten Behauptungen, können Sie da konkreter werden?

Da wird im Fernsehen berichtet, dass von Russland befehligte Panzer in der Ukraine im Einsatz sind. Doch Belege dafür werden nicht präsentiert. Nehmen Sie den Abschuss des Malaysischen Verkehrsflugzeuges MH 17 in der Ukraine. Nur wenige Stunden nach der Katastrophe steht für viele deutsche Medien so gut wie fest: Die Separatisten in der Ostukraine haben die Maschine abgeschossen und Russland Präsident Putin hat seine Finger im Spiel. Ist das seriöser Journalismus? Für mich nicht, das ist in erster Linie Propaganda gegen Russland und seinen Präsidenten.

Hans - Georg Schnaak arbeitet seit vielen Jahren für die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti. Er kritisiert die Berichterstattung in den deutschen Medien.(Foto: Ria Novosti/M.Wolff)

Hans – Georg Schnaak arbeitet seit vielen Jahren für die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Novosti. Er kritisiert die Berichterstattung in den deutschen Medien.(Foto: Ria Novosti/M.Wolff)

Glauben Sie, dass in den deutschen Medien die Hintergründe der russischen Position im Ukraine Konflikt ausreichend reflektiert werden?

Russland hat beispielsweise seine Kenntnisse im Zusammenhang mit dem Abschuss von Flug MH 17 auf den Tisch gelegt. Es wurde ein Fragenkatalog zu ungeklärten Umständen der Katastrophe präsentiert. Russland hat militärische Informationen offengelegt. Das wurde von vielen deutschen Medien ignoriert. Ich habe bislang in keiner deutschen Zeitung gelesen, dass zwei ukrainische Oligarchen, darunter der Milliardär jüdischer Abstammung Igor Kolomoiski, Privatarmeen besitzen, die sie in der Ostukraine gegen die Aufständischen einsetzen. Das ist keine Putin-Propaganda, sondern Realität.

Wie sehen die Menschen in Russland die Rolle Deutschlands im Ukraine Konflikt?

Für viele Russen tragen die USA eine große Verantwortung für die Krise in den Beziehungen zu Russland. Die NATO steht faktisch vor ihrer Haustür. Deutschland, die anderen Länder der EU und natürlich auch Russland werden Schaden auf Grund der Wirtschaftssanktionen nehmen. Amerika wird der lachende Dritte sein. Hier fragt man sich deshalb oft, warum Deutschland sich für die USA schwächt.

Die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja wirft den russischen Massenmedien in ihrer Berichterstattung zum Ukraine Konflikt vor, das kollektive Bewusstsein der Russen zu manipulieren und dabei bereits den Weltrekord im Lügen geknackt zu haben. Was sagen Sie dazu?

Ich kenne diese Schriftstellerin nicht. Zu den erhobenen Vorwürfen vielleicht so viel. Unsere Nachrichtenagentur zeigt Original-Bildberichte amerikanischer, europäischer und ukrainischer Medien zum Ukraine Konflikt. Wir veröffentlichen auch Russland-kritische Berichte. Unsere Zuschauer und Leser sollen sich eine eigene Meinung bilden. Und ich möchte deutlich feststellen: In der Nachrichtenagentur Rossiya Segodnya gibt es definitiv keine Zensur.

Wie ausführlich berichten Sie über Russland-kritische Stimmen?

Ein Beispiel. Als in Moskau rund 20.000 Oppositionelle, das ist im Vergleich zur Gesamteinwohnerzahl der Stadt von rund 14 Millionen eine verschwindend geringe Zahl, auf die Straße gingen, haben wir ausführlich darüber  in Bild und Text berichtet. Wir berichten aber auch darüber, dass die US-Botschaft Millionen Dollar in oppositionelle Kräfte investiert, um ihre ganz eigenen Interessen auf der Straße umzusetzen.

Wie sehr stehen die Menschen in Russland hinter Putins Ukraine-Politik?

90 Prozent aller Russen halten Präsident Putin für einen fähigen Staatsmann, der in dem Konflikt Pragmatismus beweist und sich von den USA und der EU nicht provozieren lässt. Er handelt und beweist Kreuz, sagen die Menschen. Sie loben Putin nicht nur wegen der Olympiade. Sondern auch, weil er in einer schwierigen Zeit eine Vereinbarung über Gaslieferungen mit China nach zehn Jahren Verhandlung unter Dach und Fach gebracht hat, die ein Handelsvolumen von 400 Milliarden US Dollar vorsieht.

Die Mehrheit der Menschen in Russland betrachtet die Deutschen, trotz der politischen Krise zwischen beiden Staaten, als Freunde. (Foto: Wolff)

Die Mehrheit der Menschen in Russland betrachtet die Deutschen, trotz der politischen Krise zwischen beiden Staaten, als Freunde. (Foto: Wolff)

Gibt es Verständnis bei den Russen für die Position des Westens, der das Vorgehen Russlands auf der Krim als Annexion einstuft?

Die Menschen auf der Krim wollten wegen ihrer Geschichte zurück nach Russland. Da fragen sich hier viele, warum soll das, was am 9. November 1989 in Deutschland geschah, nicht auch auf der Krim möglich sein. Deutschland hat sich wiedervereinigt, warum dürfen sich die Menschen auf der Krim nicht mit denen Russlands wiedervereinigen, wenn sie es wollen? Präsident Putin hat in dieser Frage eine überwältigende Unterstützung durch die Bevölkerung in Russland und auf der Krim.

Glauben Sie, dass die hiesige Berichterstattung Einfluss auf die Beziehung zwischen den Menschen in Deutschland und Russland hat?

Eigentlich nicht. Viele Russen betrachten die Deutschen trotz der üblen Angriffe einiger Medien und Politiker auf die Russische Föderation nach wie vor als Freunde. Es sind nicht alle so, sagen viele Russen. Ich selber kenne eine Reihe von Deutschen, die die Russland-Politik Deutschlands kritisch betrachten. Unlängst traf ich mich mit Teilnehmern eines Erfahrungsaustauschs von deutschen Ärzten mit Medizinern aus Rostow am Don. Die guten Beziehungen funktionieren im Kleinen wirklich recht gut.

Herr Schnaak, es ist ungewöhnlich, dass ein Deutscher als Redakteur in einer staatlichen Nachrichtenagentur Russlands arbeitet, oder?

Ich bin unheimlich stolz, in dieser Zeit für Rossiya Segodnya arbeiten zu dürfen. Journalist beim Spiegel möchte ich jedenfalls nicht sein.

Rechnen Sie bald mit einer Verbesserung des Klimas zwischen dem Westen und Russlands?

Ich bin natürlich kein Prophet. Die Politik von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier fügt Deutschland und insbesondere der Wirtschaft letztlich Schaden zu. Das ist ein Fakt. Ich sehe aber Anzeichen, dass sich eine Art Aufstand der Unzufriedenen in Deutschland formiert. Ich denke, dass die deutsche Politik die Zeichen der Zeit erkennt. Sie kennen ja das berühmte Zitat von Michael Gorbatschow.

13 Responses to Klartext – Interview mit Hans-Georg Schnaak: „Wir sind mitten im kalten Krieg“

  1. Georg Lepke
    30. Oktober 2014 at 12:15

    Klar, dass einige Leser sich durch die ziemlich pauschalen Ausführungen des Redakteurs Schnaak in ihrem Anti-Amerikanismus bestätigt fühlen. Andere Leser haben Zweifel an den Ausführungen bekundet. Selbst wenn man unterstellt, dass die Deutschen Medien sämtlich gekauft sind, bleibt festzuhalten, dass sie nicht unmittelbar staatlich finanziert werden – oder sind das ND, die “Junge Freiheit”, der Schulzendorfer “gekauft”? Herr Schnaak hingegen macht ja gar kein Hehl aus seiner Aufgabe, die Putinsche Sicht der Welt zu zu verkünden.Dass diese Sicht immer von 90% der Bevölkerung geteilt wird, wage ich zu bezweifeln.
    Mir ist übrigens schleierhaft bzw. leider gerade nicht schleierhaft, warum der Redakteur beim Hinweis auf die Privatarmeen zweier ukrainischer Oligarchen nur einen namentlich hervorhebt und darauf hinweist, dass dieser “Milliardär jüdischer Abstammung”, also nicht lediglich jüdischer Glaubensüberzeugung, sei.

    PS Wie hält es der Schulzendorfer generell mit der Verlinkung? Kann ich grundsätzlich einen mir als Vertiefung der Materie erscheinenden Linlk einfügen, der die Leser auf Quellen führt, die aus einem zwielichtigen Milieu stammen, oder überprüft der Schulzendorfer das?


    Lieber Georg Lepke, wir tun uns mit Links sehr schwer, weil wir in bestimmten Umfang auch für diese Inhalte, insbesondere was Tatsachenbehauptungen, Bildrechte usw. betrifft, haften. Wir müssten über Monate nach Verlinkung die Inhalte kontinuierlich überprüfen. Links, die auf Beiträge von Behörden (Ministerien, Ämter usw.) hinweisen, sind dagegen völlig unproblematisch und würden auch veröffentlicht.

    Sascha Weinert
    Redaktion
    Der Schulzendorfer

  2. BingeLaden
    29. Oktober 2014 at 12:54

    Putins Rede vor dem Diskussionsforum Valdai. Ich kann das nur empfehlen sich anzusehen!!!

    http://www.youtube.com/watch?v=CZWVOYMqx5Q

  3. Kai Pirinnja
    29. Oktober 2014 at 09:49

    Sehr geehrte Redaktion,
    wenn es ihnen mõglich sein sollte, wäre ich dankbar, wenn sie einen in Nordkorea im redaktionellen Teil einer Tageszeitung tätigen Deutschen zu interviewen, damit mein Glaube bekräftigt wird, dass die Machthaber dort Gewalt ablehnen
    und nur auf Frieden und Völkerverständigung setzen.
    Besten Dank.

  4. W.Einen
    28. Oktober 2014 at 20:41

    Sehr geehrter Herr Weinert;
    empfinden Sie die meine Aussage Zitat” Habe gehört der Kopf wäre zum Denken da” als Beleidigung gegenüber Dritten.
    m.f.G.

  5. W.Einen
    28. Oktober 2014 at 20:13

    Lieber User W.Einen. Ihr Beitrag wurde nicht veröffentlicht. Der Grund: Beleidigungen gegenüber Dritten werden hier nicht geduldet. Wir hoffen auf Ihr Verständnis.

    Redaktion Der Schulzendorfer
    Sascha Weinert

  6. Obelix
    28. Oktober 2014 at 10:27

    OK, vieleicht hatts sich in meinen Ohren so angehört! Sollte ich sie damit angegriffen haben? Bekommen sie auch ne Entschuldigung von mir! Ist auch ein heisses Thema! Letztens wurde ich ebenfalls angegriffen( Reichsbürger,Braun…) nichts davon stimmt zu! In meinen Augen ist Russland unsere einzige Chance sich von denn Kolonialherren zu lösen! Auch um in Frieden weiter zu Leben! Unsere noch Freunde basteln doch am Krieg weiter, so hat George Soros ein Milliardär im New York Review of Books zum Krieg gegen Russland aufgerufen! Woll jetzt erst im November! Die Krisen der Welt sind inzeniert um ihre Gegner zu schwächen! Bei uns wird Stück für Stück die Bevölkerung ausgetauscht! Wenn man einen Frosch in einen Topf mit kochendem Wasser setzt, springt er raus! Setzt man ihn in einen Topf mit kalten Wasser und bringt es zum kochen,verkocht der Frosch! Bald haben wir in unserem eigenen Land nichts mehr zu sagen! Sollten die Kinder später das noch verstehen werden sie sich fragen” Warum habt ihr nichts getan?).Einige werden wohl”Symbolisch” auf eure Gräber urinieren!Mit dem Bilden bin ich voll bei ihnen aber es fehlt noch sich zu informieren! Wir wurden seit 70 Jahren und länger belogen und falsch informiert! Es reicht wenn wir als Volk nichts unternehmen ist der Zug abgefahren! EIN SOUVERÄNES DEUTSCHLAND JETZT ODER NIE

  7. Maggnuss
    28. Oktober 2014 at 04:19

    Was redet dieser Mensch für einen Unsinn? “Zitat : Ich sehe aber Anzeichen, dass sich eine Art Aufstand der Unzufriedenen in Deutschland formiert.” Na im Russland von Putin wird es ja keinen Aufstand geben. Aber da gibt es ja auch keine unzufriedenen Menschen.
    “Zitat : Sie loben Putin nicht nur wegen der Olympiade. Sondern auch, weil er in einer schwierigen Zeit eine Vereinbarung über Gaslieferungen mit China nach zehn Jahren Verhandlung unter Dach und Fach gebracht hat, die ein Handelsvolumen von 400 Milliarden US Dollar vorsieht.” Was für ein Verhandlungsergebnis nach zehn Jahren, und das in einer schwierigen Zeit! Die Pipeline wird 2019! eventuell ihren Betrieb aufnehmen. Und schon 2031 wird sie ihre volle Kapazität erreicht haben. Unglaubliche Leistung. Danke Herr Schnaak das sie nicht beim Spiegel arbeiten wollen. Gruß ins freie, liberale und weltoffene Russland.

  8. Martin
    27. Oktober 2014 at 21:43

    Respekt Der Schulzendorfer, Respekt Herr Schnaak. Das sind ja keine Töne, die in die politische Landschaft passen. Starkes Interview.

  9. Themis
    27. Oktober 2014 at 21:31

    Hallo Obelix,
    worauf schließen Sie, dass ich ein Freund der Amis bin. Hab ich nicht geschrieben. Das ist lediglich Ihre Assoziation weil ich sage, dass dieses Interview keinerlei Fakten, sondern lediglich Behauptungen enthält. Genau diese Art von Assoziation bemängelt übrigens Herr Schnack im seinem Interview.
    Nur weil ich nicht an den Messias Putin glaube, denke ich nicht, dass Obama und Merkel Waisenknaben sind. Die Pflicht eines jeden Menschen, uns Deutsche eingenommen, ist es nicht für die Fehler in der Vergangenheit zu büßen und Russland und die USA in jeder denkbaren Art & Weise Absolution zu erteilen, sondern sich zu bilden um voreilige von außen basierte Schlüsse zu vermeiden, so dass Fehler aus der Vergangenheit nicht ein weiteres Mal begangen werden können.

  10. Obelix
    27. Oktober 2014 at 18:48

    Themis scheint einer der zu vielen Schlafschafe zu sein! Nichts erkannt… Die Amis sind ja auch unsere Freunde und haben uns befreit…das ich nicht Lache Ha Ha!! Die dummen Deutschen sind die,die nicht erkennen wollen,das wir nur eine Kolonie der Amis sind! BRD-GmBH Sie sind kein Bürger sondern eine Sache! Bei uns läuft alles über das Handelsrecht,Gerichte,Polizei,Ämter… sind alles Firmen selbst Schulzendorf hat eine Steuernummer! Täuschung des Deutschen Volkes… Wer führt den in denn vergangenen Jahren immer wieder Krieg? Auf Lügen aufgebaut…? Unsere Freunde…

  11. BingeLaden
    27. Oktober 2014 at 16:13

    Wahre Worte,Deutschland macht sich zum Sklaven der U.S.A. und dafür marschiert der Dax kräftig nach unten. Mich würde eine Umfrage interessieren wie die Bürger die Politik von Frau Merkel in Bezug auf Russland sehen. Die Front der Wirtschaftsunternehmen die Frau Merkel bislang den Rücken gestützt haben bröckelt auch. Danke Herr Schnaak.

  12. Themis
    27. Oktober 2014 at 15:35

    Die Annektierung der Krim, mit der Wiedervereinigung Deutschlands zu vergleichen ist schon mehr als geschmacklos.
    Das die bösen Deutschen den oberkörperfreien bärenjagenden Putin als Halbstarken abtun, ist natürlich falsch. Er kann auch ganz gediegen mit seiner Motorradgang durch Moskau cruisen. Ach wir dummen Deutschen und unsere Vorurteile. Was für ein faktenloses und populistisches Interview!

  13. Gerhard Mittag
    27. Oktober 2014 at 15:00

    Ein sehr gutes Interview, was mich in meinen Meinungen bestärkt. Die russischen Menschen sollen wissen, daß nicht alle Menschen in Deutschland so russenfeindlich sind wie Frau Merkel, ihre Regierung und die gekauften Medien. Nach zwei Weltkriegen sollte endlich und für immer Freundschaft zwischen Deutschland und Rußland bestehen.

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