Im Gespräch: Dr. Herbert Burmeister – “Wir haben uns längst nicht mit allem abgefunden!”

27. September 2011
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Zwei Tage lang verhandelte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klagen gegen den ergänzenden Planfeststellungsbeschluss. Schulzendorfer sprach über die Verhandlung und zu Hintergründen mit Dr. Herbert Burmeister. Er ist seit vielen Jahren mit der Flughafenmaterie sehr vertraut und ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Schallschutz im Dialogforum Airport Berlin Brandenburg.

Herr Dr. Burmeister, Sie haben zwei Tage lang die mündliche Verhandlung in Leipzig über die Klagen der Gemeinden Blankenfelde – Mahlow, Eichwalde, Großbeeren und Schulzendorf gegen den ergänzenden Planfeststellungsbeschluss verfolgt. Wie fällt Ihr Fazit insgesamt aus?

Es wird sehr schwer werden, das angestrebte Ziel, ein Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr zu erreichen. Wir müssen damit rechnen, dass die Flugzeuge  nachts bis 23.30 Uhr und morgens ab 5.30 Uhr fliegen. Als Gegenleistung wurden wir mit verbesserten passiven Schallschutzmaßnahmen abgefertigt. Wir wollen aber nachts schlafen und nicht nur besser isoliert werden.

Worauf begründet sich ihre Einschätzung?

Die Verhandlungsführung hat darauf hingedeutet. Außerdem haben uns schon im Vorfeld der Verhandlung die Vertreter des Landes Brandenburg ein solches Ergebnis vorausgesagt.

Gemeinsam mit 350 Protestlern demonstrierte Dr. Herbert Burmeister vor dem Gerichtsgebäude für ein Nachtflugverbot.

Womit konkret wurden Sie da konfrontiert?

Dass derzeit auch in Frankfurt/Main und München Verhandlungen in Sachen des Fluglärms der dortigen Flughäfen vor den Gerichten anhängig sind. Wenn es hier vor dem Bundesverwaltungsgericht  für Schönefeld zu viele Zugeständnisse geben würde, könnte das möglicherweise negative Folgen für diese beiden Verfahren haben. Das ist also schon ein gesamtpolitisches Geflecht, in dem sich auch unabhängige Richter zwangsläufig befinden.

In der Verhandlung hakte das Gericht bei den Vertretern der Flughafengesellschaft ziemlich auffällig in Sachen des Nachtflugbedarfs nach. War das ein Zeichen zu Gunsten der  Fluglärmbetroffenen oder nur Makulatur?

Im Verfahren musste durch die Planfeststellungsbehörde Akten an das Gericht gegeben werden. Da legte die Beklagte fünf Ordner vor. Unsere Anwälte haben sie durchgesehen und kamen zu dem Schluss: das kann nicht alles sein. Nach nochmaliger Aufforderung durch das Gericht kamen dann plötzlich 20 Ordner zum Vorschein. Und auch danach fehlten immer noch Gesprächsnotizen zwischen der Planfeststellungsbehörde, der Flughafengesellschaft und den Gutachtern. Immer wieder wurden Dokumente und Akten nachgeliefert. Was will ich damit sagen? Richter lassen sich ungern auf diese Art und Weise vorführen. Deshalb wurden auch viele kritische Fragen an die Adresse der Planfeststellungsbehörde gestellt. Das war aber mehr ein „Du, Du!“

Kann sich Berlin einen Flughafen leisten, der um 22 Uhr schließt? Diese Frage warf der vorsitzende Richter Rubel in den Verhandlungsaal. Wie reagierten die Prozessparteien?

Die Umlaufplanung der Fluggesellschaften spielt offenbar in der Bewertung des Gerichts eine große Rolle, je näher man an die Kernzeit von 0.00 bis 5.00 Uhr herankommt.

Es geht immer nur darum, Flugzeuge noch wirtschaftlicher einsetzen zu können. Das setzt natürlich einen uneingeschränkten Flugverkehr voraus.

2006 war das Gericht viel nachdenklicher in Sachen des Schallschutzes. Damals wurde gesagt, wenn man so dicht an eine Großstadt heran geht, in einem Gebiet, in dem 40.000 Menschen unzumutbar betroffen sein werden, dann muss der Schutz der Nachtruhe eine große Rolle spielen. Deshalb hatte das Gericht aufgetragen, je näher man an die Randzeiten der Nacht herankommt, desto exakter muss der Bedarf für derartige Nachtflüge nachgewiesen werden.

Die Planfeststellungsbehörde hat mit Intraplan dazu Prognosen vorgelegt, doch die gehen zum Teil von falschen Annahmen und einer zweifelhaften Methodik aus.

Vor Beginn der Verhandlung fand eine Demonstration vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Einige Schulzendorfer und Sie selbst waren mit dabei, als eine

Haben Sie am Ende auch gut Lachen? Rechtsanwalt Dr. Gronefeld (li.) und Prof. Dr. Rainer Schwarz (FBS)

Menschenkette um das Gerichtsgebäude herum gebildet wurde. Welche Gedanken und Gefühle hatten Sie vor dieser Kulisse?

Ich habe Hochachtung vor den Menschen, die es auf sich nahmen,  auf ihre Kosten nach Leipzig zu fahren. Viele nahmen dafür Urlaub.  Da gab es Menschen, die keine Einlasskarte bekommen haben und nur da waren um Farbe zu bekennen.  Allein wegen dieser Menschen  ist es mir ein Bedürfnis mich in das Verfahren einzubringen.  Ich will ihnen damit auch sagen:  Seht her, ich steh auf Eurer Seite und bin genau wie ihr ein Betroffener!

Herr Burmeister, Sie wurden vom Gericht als Vertreter der Gemeinde Großbeeren aufgerufen. Wie kam das?

Die Gemeinde Schulzendorf wurde gefragt, ob ich für sie als Beistand benannt werden kann. Leider wurde diese Anfrage ablehnend beschieden. Ich habe mich deshalb besonders gefreut, dass ich meine Erfahrungen als Beistand der Gemeinde  Großbeeren in das gesamte Verfahren einbringen konnte. Dafür bin ich Bürgermeister  Carl Ahlgrimm sehr dankbar.

Tut es eigentlich weh, wenn man als Bewohner der Gemeinde Schulzendorf vom Richter als Vertreter der Gemeinde Großbeeren aufgerufen wird?

Ja, das tut weh. Einfach deshalb, weil ich mich seit Mitte der 90 iger Jahre in das Verfahren eingebracht habe und mir auch einbilde, mich für den bestmöglichen Schutz der Menschen in der Region eingesetzt zu haben

Wirklich wehgetan hat mir, dass mein Nachfolger, Herr Mücke nicht in Leipzig war. Er hatte Urlaub und schickt seinen Stellvertreter, Herrn Reech.  Für ihn war es sicher nicht einfach, denn er musste sich erst mit der Aktenlage vertraut machen. Herr Reech hat sich vor Gericht sehr gut geschlagen und für die Gemeinde ein tolles Statement abgegeben.

Dem brandenburgischen Landtagspräsident Gunter Fritsch wurden in Potsdam knapp 40.000 Unterschriften von der Volksinitiative für ein Nachtflugverbot übergeben. Nun muss sich der Landtag damit befassen. Welche Erwartungen knüpfen Sie an diese Debatte?

Vom Landtag erwarte ich nichts. Alle Fraktionen werden sich  auf das kommende Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig berufen. Einige werden sagen, ja wir wären für ein Nachtflugverbot, aber die Richter haben anders entschieden.  Es ist nicht zu erkennen, dass bei den politischen Entscheidungsträgern die Bedürfnisse der Betroffenen einen Stellenwert erreichen, der zu einer Änderung des Standorts oder zu einer politischen Entscheidung für ein Nachtflugverbot zwischen 22.00 und 06.00 Uhr führt.

Also wird die Politik den vom Fluglärm betroffenen Menschen nicht unter die Arme greifen?

1996 wurde eine politische Entscheidung gefällt. Mittlerweile haben viele Politiker erkannt, dass diese Entscheidung damals nicht glücklich war. Sie kommen aber aus der Rolle, in die sie sich damals begeben haben nicht mehr heraus.

Was bleibt denn den Fluglärmbetroffenen am Ende?

Zum einen müssen wir weiter Druck auf die Gesellschafter ausüben. Wir müssen sie dazu zwingen, die gesundheitlichen Folgen des Flugverkehrs am BER zu untersuchen, wie das in Frankfurt/Main geschieht. Wir müssen allen Betroffenen helfen, wenigstens den passiven Schutz zu bekommen, der ihnen zusteht. Eins soll den soll den Flughafenplanern auf jeden Fall klar sein. Wir haben uns längst nicht mit allem abgefunden.

 

 

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5 Responses to Im Gespräch: Dr. Herbert Burmeister – “Wir haben uns längst nicht mit allem abgefunden!”

  1. 28. September 2011 at 08:15

    Geehrter Mecker, Mecker,

    Dr.Schallehn und Herr Mencke sind langjährige Mitstreier gegen den falschen Standort und länger als ich dabei. Erst 2002 wurde ich BVBB- Mitglied und wurde 2007 als Sprecher der BVBB- Ortgruppe und später als Beisitzer in den BVBB- Vorstand gewählt, übrigens verteilen diese auch die BVBB- Info.

    Anlaß der ganzen Veranstaltung war die Anhörung der BI in Rangsdorf und die Flugroutenkarten, auf denen Schulzendorf oft fehlt und/oder falsch eingetragen ist.
    In Rangsdorf erzählte man uns, dass die Abgeordneten hauptsächlich ihre Informationen von den Behörden beziehen.

    Wir wissen auch, dass man Landtagsbabgeordnete zu einen gewissen Abstimmverhalten bringen kann, wenn irgendwelche Abhängigkeiten bestehen.
    Trickreich wurden sicher auch die Abgeordneten getäuscht, doch dass werden diese nicht zugeben, dann müssten sie zugeben, dass sie ihre Kontrollpflicht nicht nachgekommen sind und Alles geglaubt haben was ihnen da aufgetischt wurde.
    Die Abgeordneten wurden immun gegen die Fakten und der Wahrheit gemacht und die Verlockungen der Diäten ist sicher auch groß.

    Ohne Not sind damals die Linken in Berlin umgefallen und nun erleben wir das in Berlin mit den Grünen. Die Karte, die Minderheit ist Bürgermeistermacher, wird nicht ausgespielt, man lässt sich bestimmen. Wir erwarten wenig, doch ein Ergebnis wird es schon bringen.

    Der Druck der Demonstrationen macht allerdings die Abgeordneten gesprächs- und zuhörbereit. Diese Zeit sollte man nutzen, denn schließlich sind bald wieder Landtagswahlen in Sicht.

    Ich denke wir haben zumindest ein wenig zum Nachdenken angeregt.
    Die CD Rom wird dazu beitragen und der Sonder- Wecker zum 24.9.2011 wird sicher auch gelesen werden.

    Die Medien haben durch Ihre Bericherstattung erreicht, dass die klare Linie des BVBB mehrheitlich für unrealistisch gehalten wird.

    Darum sind wohl weitere massive Informationen über unsere Situation von Nöten, damit der letzte Schulzendorfer sich selbst überzeugt, das wir hier kein Entrinnen vom Fluglärm haben und selbst bei schönen Wetter unsere Naherholungsgebiete keine Erholung bieten werden. Es nur eine Möglichkeit gibt um weiteren Schaden von Schulzendorf und dem Land Brandenburg abzuwenden.

    Es ist schlimm genug, dass erst nach 15 Jahren Abgeordnete wirklich bereit sind zu den Bürgern zu kommen, doch man sollte alle noch so geringen Möglichkeiten nutzen um ein Nachdenken und umdenken zu bewirken.
    Das sich die Politik und auch unser Herr Mücke, sich hinter das angebliche Recht versteckt, zeigt die Unfähigkeit faire und zukunftsgerichtete Visionen für unser Land zu entwickeln.

    Berufen wird sich immer auf das Recht doch ist der falsche Standort dadurch rechtens?

    Am Sonntag den 23. Oktober hat jeder Schulzendorfer die Möglichkeit Gesicht zu zeigen um zu demonstrieren: “Schönefeld so mit uns nicht”!
    Bitte Aushänge beachten!

    Freundliche Grüße

    Gernut Franke

  2. Tiefflieger
    28. September 2011 at 06:25

    Guten Morgen Herr @ Dr. Schallehn, legislatives Beschlussorgan hin oder her. Glauben Sie im Ernst, dass CDU, FDP gegen die viel beschworene (und vielleicht dann doch nicht eintretende) Wirtschaftlichkeit des BER stimmen werden? Glauben Sie im Ernst, dass Die Ministerriege von Herrn Platzeck irgendetwas gegen ihren Chef unternehmen wird? Die einizige kritische Partei, dass sind die Grünen, nur denen fehlt die Mehrheit.
    Das Votum der Menschen interessiert doch die wenigsten Politiker. Lesen Sie doch bitte einmal die jüngste Infoausgabe des BVBB, spätestens dann sollte Ihnen klar werden was das “legislative Beschlussorgan” für die betroffenen Fluglärmopfer tun wird.
    Und insofern kann ich nur sagen, hat Herr Burmeister völlig Recht! Ich erwarte von der Landesregierung auch NULLO, nichts werden die für uns Schulzendorfer und gegen die von Ihnen dargestellte Flugroute über die Schule unternehmen.

  3. mecker mecker
    28. September 2011 at 06:14

    @ Schallehn & Mencke

    Jetzt spielen Sie sich mal nicht so auf! Nur weil Sie beide auch gegen den Flughafen sind, heisst das nicht das nur Sie die Deutungshoheit haben. Das ist im Übrigen das größte Problem aller betroffenen Bürger und Gemeinden: Jeder versucht nur für sich das Beste zu erreichen und hackt auf den anderen rum. Die Flughafengesellschaft wirds freuen. Fragen Sie da mal Herrn Franke, der ist schon etwas länger dabei wie Sie beiden, der wird Ihnen vielleicht etwas Nachhilfe geben können.

    Vielleicht wären Sie auch besser beraten, wenn Sie den von Ihnen kritisierten Satz nocheinmal in den Zusammenhang der Gesamtaussage setzen. Sie werden merken, dass Herr Dr. Burmeister doch Recht hat. Oder Sie sind wirklich so Naiv und glauben, das auch nur ein Landtagsabgeordneter freiwillig den Finger rührt. Für diese Herrschaften wird es einfach sein ihr nichtstun mit dem Gerichtsurteil zu begründen.

    Aber viel wichtiger ist bestimmt jeden zu kritisieren, auch wenn er die gleichen Absichten hat wie Sie.

    Guten Tag

  4. Helmut Mencke
    27. September 2011 at 21:51

    Nein, Herr Dr. Burmeister,

    Ihrer Abwertung des Landtages kann ich nicht folgen. Dies ist Brandenburgs höchstes Entscheidungsorgan. Hier werden bei Abstimmungen die Hände gehoben oder sie bleiben unten. Jede und jeder einzelne Abgeordnete sind gefragt, dieses oder jenes zu tun. Und sie oder er werden dies oder jenes tun, je nachdem welcher Partei sie angehören und wie gut oder wie schlecht sie über eine Sache Bescheid wissen.

    Oder soll ich Ihren Worten entnehmen, dass Sie Ihrer eigenen Partei, die ja auch Regierungsverantwortung trägt, ein Eingehen auf unsere elementaren Grundbedürfnisse nicht mehr zutrauen?

    Wie ist Ihr Verweis auf eine Druckerhöhung gegenüber den Gesellschaftern zu verstehen? Gesellschafter sind der Bund, das Land Brandenburg und das Land Berlin. Wie stellen Sie sich vor, Druck auf den Bund und das Land Berlin aufzubauen?

    Es ist vielleicht harte Arbeit, den einzelnen Landtagsabgeordneten persönlich aufzusuchen und direkt anzusprechen. Zu dieser Arbeit möchten wir noch Viele ermuntern.

  5. Dr. Schallehn Schulzendorf
    27. September 2011 at 19:42

    Sehr geehrter Herr Dr. Burmeister,
    Sie erwarten vom Landtag NICHTS, obwohl er das legislative Beschlussorgan ist.
    Die Schulzendorfer Interessengemeinschaft gegen Fluglärm, die Bürgerinitiative Schulzendorf-gegen-Fluglärm,die Ortsgruppe Schulzendorf des BVBB und die Gemeindevertretung von Schulzendorf sind mit dem Landtag in Verbindung getreten, um dort die Betroffenheit Schulzendorfs direkt und persönlich darzulegen.
    Diesbezüglich sehen wir bei unserem Altbürgermeister und unserem Bürgermeister fatale Defizite.
    Sehr positiv ist dem gegenüber die Darstellung der Schulzendorfer Betroffenheit vor dem BVG durch Herrn Reech festzustellen.
    Wir werden den Dialog mit dem Landtag weiterführen. Daran kann jeder Schulzendorfer teilnehmen, der sich durch das Flughafenprojekt betroffen fühlt.
    Wer aber NICHTS vom Landtag erwartet, den bitten wir höflichst, unsere kostbare Gesprächszeit nicht anderweitig zu benutzen.

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