Im Kreuzverhör: Das sagt Prof. Jonas Reif über die Bahnquerung!

25. Juni 2023
Von

Jüngst wurden im Kreistag die Bahnquerungen zwischen Eichwalde und Wildau thematisiert und eine Auswertung realer sowie für 2030 prognostizierter Schrankenschließzeiten präsentiert.

Bahnquerung

Foto: mwBild

Am Bahnübergang in der Friedenstraße war an einem Tag im März die Schranke zwischen 15 und 17 Uhr ganze 55 Minuten geschlossen. An der Schranke im Zeuthener Forstweg war es sogar eine Stunde, zwölf Minuten und 47 Sekunden .

Der Landkreis möchte seit längerem die Schranke durch eine Brücke ersetzen. Eichwalde wehrt sich jedoch gegen das „Monsterbauwerk“ in der Ortslage, möchte die Schranke behalten. Angesichts der nun vorliegenden Zahlen appelliert Landrat Stephan Loge nochmals an die Nordgemeinden, interkommunale nach schrankenlosen Lösungen zu suchen und will dabei auch die Gemeinde Zeuthen und die Stadt Wildau in die Pflicht nehmen. Der Schulzendorfer sprach darüber mit Prof. Jonas Reif (Bündnis 90/Die Grünen). Er war maßgeblich an der Erarbeitung der sogenannten „H-Lösung“ beteiligt.

Herr Reif, haben Sie die Schrankenschließzeiten überrascht?

Prof. Jonas Reif: Im Detail ja, in der Gesamtheit nicht. Seit Jahren wissen wir, dass der Bahnverkehr zunimmt – und zwar in erster Linie der vom Land Brandenburg bestellte S-Bahn- und Regionalverkehr. Was grundsätzlich wünschenswert ist – nämlich mehr Verkehr auf der Schiene, führt vor Ort zu erheblichen Belastungen. Überrascht haben mich die reellen Zahlen vor allem für die Zeuthener Schranken, die deutlich über denen von Eichwalde und Wildau (Westkorso) liegen.

Können Sie den Appell von Landrat Loge nachempfinden?

Prof. Jonas Reif: Natürlich braucht es hier eine Lösung, die nicht jede Kommune für sich treffen kann und sollte auch nicht nur auf die drei Bahnanlieger begrenzt sein. Für mich macht es Sinn, den Betrachtungsraum zwischen Berliner Stadtgrenze, A115, A10 und Dahme aufzuspannen. Zeuthen hat hier bereits über den Regionalausschuss einen ersten Versuch unternommen, der aber ziemlich hart abgeschmettert wurde.

Warum?

Prof. Jonas Reif: Zeuthen hat zusammen mit der Deutschen Bahn eine Studie für Bahnquerungen erarbeiten lassen. Dabei stellte sich heraus, dass das Westkorso aufgrund der Straßenraumbreite als auch der notwendigen Rampenlängen der beste Standort ist. Die Westkorso-Schranke liegt zwar in Wildau, aber die kreuzende Straße beginnt und endet in Zeuthen. Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, dass wir die Stadt Wildau nicht in die Studie früher einbezogen haben. Das ändert aber nichts an der Sinnhaftigkeit der Tunnellösung an diesem Standort.

Was bedeutet das konkret?

Prof. Jonas Reif:In dem von mir dargestellten Betrachtungsraum gibt es jeweils drei Nord-Süd und Ost-West-Achsen. In Zeuthen könnte die Ost-Westachse am Bahnhof beginnen, wenn man aber einen ungefähr gleichen Abstand zwischen den Ost-West-Achsen erreichen möchte, wäre das Westkorso besser.

KarteJR

Langfristig sollten alle Achsen im Süden und Westen an einer Autobahnanschlussstelle enden. Deshalb ist auch eine Ausfahrt in Kiekebusch, bei Amazon so wichtig. Solch ein Netz von Hauptachsen, Bahnbrücken, Unterführungen und Anschlussstellen würde die größtmögliche Resilienz gegen Störungen bieten. Ein Tunnel in der Wildauer Freiheitsstraße würde den Verkehr erneut nach Hoherlehme bzw. auf die Anschlussstelle A10 lenken – schon heute ist das ein Nadelöhr.

Sie sind also auch für die derzeit vom Kreis geplante Brücke in Eichwalde?

Prof. Jonas Reif:Nein. Ich kann die Eichwalder Position hier durchaus verstehen und würde mich gegen solch ein Bauwerk wehren. In der Nah-Betrachtung gibt es ja durchaus eine bessere Alternative.

Sie spielen jetzt auf die von Ihnen vor ein paar Jahr schon einmal vorgestellte H-Lösung hinaus?

Prof. Jonas Reif:Ja. Ein etwas weiter südlich positioniertes Brückenbauwerk, das nicht nur vom Orts- und Landschaftsbild besser passt, sondern gleich viele weitere Vorteile bietet.

Die H-Lösung

Die H-Lösung

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Welche sind das?

Prof. Jonas Reif: Zunächst einmal müsste die Brücke mit Straßen nach Norden wieder an die Friedenstraße angeschlossen werden. Aber auch nach Süden sollte man zumindest auf der Ostseite eine Straße bis in den Ortskern („Goethebogen“) von Zeuthen direkt an der Bahntrasse bauen. Teilweise ist solch eine Straße sogar schon im Flächennutzungsplan vorgesehen (Ausbau der Alten Poststraße). Damit könnte man den Verkehr der L401 aus einem großen Teil der Siedlungsfläche herausnehmen. Ein Bau einer Straße, die ausschließlich dem motorisierten Verkehr dienen soll und seitlich entwässert werden kann, wäre vermutlich deutlich günstiger als der geplante Ausbau der L401 in Zeuthen (Goethe- und Seestraße).

Auch auf der Westseite könnte nach Süden eine Straße bis zur Wilhelmshavener Straße entlang der Bahngleise gebaut werden, so dass aus dem Kleiderbügel, wie es mein ehemaliger Fraktionskollege Karl-Uwe-Fuchs getauft hat, ein richtiges H wird.

Der "Kleiderbügel"

Der “Kleiderbügel”

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Ein neues Straßensystem für den motorisierten Straßenverkehr, für den auch noch Wald gefällt werden muss. Ziemlich außergewöhnlich für einen Politiker der Grünen, finden Sie nicht?

Prof. Jonas Reif: Der Vorschlag der H-Lösung mit seiner „Trassenbündelung“ hätte enorme Vorteile für das sogenannte „Schutzgut Mensch“, da wir den Durchgangsverkehr aus den Wohnlagen nehmen und Lärm reduzieren. Sie bietet aber zugleich den Raum, gute Fahrradwegeverbindungen in den Ortslagen zu schaffen, etwa die Schulstraße und Friesenstraße in Fahrradstraßen (mit „Anwohner frei“) umzuwandeln.

Entlang der Bahngleise muss tatsächlich etwas Wald gefällt werden, wobei die Bahn ohnehin darauf drängt, ein Bereich von 12 Meter zur Mitte des ersten Gleises Baum frei zu halten. Erhalten bleiben könnten dagegen über 250 großkronige Lindenbäume in der See- und Goethestraße, die ja dann nicht mehr ausgebaut werden muss. Außerdem sieht unser Konzept auch separate Fuß- und Radwegtunnel in den Lagen der heutigen Schranken (Nordschranke, Friedenstraße) vor. Die Brücke über die Gleise soll auch für Radfahrer und Fußgänger nutzbar sein, die somit eine direkte Verbindung zwischen dem Zeuthener Winkel und Bayerischen Viertel bekommen.

Wie sehen Ihre Pläne aus? Für die L401 in Zeuthen soll zeitnah der Planfeststellungsbeschluss vorliegen, der Bebauungsplan „Zeuthener Winkel Mitte“, der ebenfalls von Ihrer Idee betroffen wäre, soll noch im Juli beschlossen werden. Glauben Sie wirklich, dass sowohl die Zeuthener Gemeindevertreter als auch Eichwalde, Wildau, den Kreis und das Land Brandenburg von Ihrer Lösung überzeugen können?

Prof. Jonas Reif: Die Zeit drängt enorm. Vor allem der B-Plan Zeuthener Winkel Mitte macht mir Sorgen, weil hier so schnell ein Beschluss kommen soll. Aber die derzeit vorliegenden Planungen sind allesamt keine wirklich zufriedenstellenden Lösungen. Wir werden jedenfalls versuchen, unseren Vorschlag über den Regionalausschuss einzubringen.

13 Responses to Im Kreuzverhör: Das sagt Prof. Jonas Reif über die Bahnquerung!

  1. Peter Schulze
    28. Juni 2023 at 12:36

    WLJ: Es ist tatsächlich vorbei. Und zwar nicht nur in den Regalen und Töpfen. Fühlt sich doch aber noch super an.

  2. B.Hartenstein
    28. Juni 2023 at 10:01

    @Wlj
    Doch, ich habe verstanden. Den Versuch der Länderfusion hat lt. Volksentscheid Brandenburg abgelehnt, Berlin zugestimmt. Sie haben Recht, es ist ein schwieriges Thema und kaum lösbar.
    Aber es gibt doch den Verkehrsverbund Berlin/Brandenburg. Vielleicht kann man auf diesem Weg etwas erreichen. Es geht doch so vieles, wenn man will.
    Bzgl. Hinweis DDR wäre das Problem ganz einfach gelöst worden…..
    Da stände ein Mensch, der die Schranke rauf/runter kurbelt. Hab ich noch erlebt.
    Aber auch da gebe ich Ihnen recht, ausser palavern wird wohl nix. Schade, Pessimismus ist nicht so mein Ding. Doch es stimmt, es fehlt die Einsicht in die Notwendigkeit.

  3. WLJ
    27. Juni 2023 at 22:17

    @ B. Hartenstein Schade, dass Sie es nicht verstehen wollen. Eine Länderfusion hat mit Berlin nicht stattgefunden, deshalb wird Berlin für Brandenburg nicht einen Finger krumm machen. Sie scheinen den Bau der Feuerwache in Schmöckwitz auch ihrenwie auszublenden- da haben Sie ein schönes Beispiel.

    Sie haben ja recht, dass die Verkehrssituation nicht die beste ist. Aber es wird keine Veränderung mehr geben und da haben Sie ein schönes Beispiel gebracht : Brücke KW ! Wenn es die DDR noch gäbe, wäre dieses Teil heute noch nicht fertig. Die Gründungsarbeiten waren unbezahlbar – nur weil die Fördertöpfe aufginnen, wurde es was.

    Nur gibt es heute kein Geld mehr, selbst die Regale bei Edika leeren sich – es ist vorbei.

  4. Bürger zweiter Klasse
    27. Juni 2023 at 18:05

    Egal was schlussendlich gebaut wird, es wird ewig dauern. Guckt man sich den Fußgängertunnel am Bhf-Eichwalde an. Geht schon 5 Jahre :-)

  5. B. Hartenstein
    27. Juni 2023 at 14:19

    @WLJ
    Gerade weil verkehrsmäßig alles von anno-tobak stammt, sollte nicht klein-klecker-mäßig vorwärts denken und planen. Und Berlin ist auch nicht mehr das, was es mal war oder jetzt sein will. Und die gesamte Verkehrssituation in Eichwalde, Zeuthen oder Schulzendorf entspricht ja nun wirklich nicht neu-zeitlicher Verkehrsplanung. Und die Lastenfahrräder lassen wir mal lieber in Berlin samt dieser Frau Jarrasch und ihrem Bullerbü. rt
    Vielleicht kann sich noch einer erinnern, als man von Wildau nach KWh kommend über die Schranke am Krankenhaus musste und die unendlichen Wartezeiten.
    Die jetzige Lösung ist dort einwandfrei und löst alle Probleme.
    Warum kann man für unseren Gemeinden nicht auch so eine Lösung finden.
    Fakt ist, DASS es eine Lösung geben muss, sowohl für die Schranken als auch für die Bahnhöfe Eichwalde und Zeuthen. Es ist eine Zumutung !!!!!

  6. Oliver
    27. Juni 2023 at 13:01

    über das Thema wurde schon nachgedacht als es noch Parteitage und 5-Jahrpläne gab.
    Ein Vorschlag war in der Waldstraße Richtung Berlin auszuschwenken, den Übergang im Wald bauen und in Schulzendorf an die Karl – Liebknecht – Str. anzubinden und diese gleich noch geradeaus bis Bohnsdorf zu führen.
    Ein anderer Vorschlag war bei der sogenannten Kuppelstelle eine breite Straße durchzuführen. (Das ist dort wo die Fahrradschranke jetzt nicht mehr existiert.)
    Beide Versionen kann man heute vergessen, weil 2 Bundesländer sich einigen müßten.
    So was ähnliches wie die H-Lösung gab es auch. Eichwalde Am Graben besser ausbauen und von dort über die Gleise gehen. Früher war da nur Kiefernwald und Müllkippe.
    Ich selbst habe mal vorgeschlagen die Schöckwitzer Str. zu nehmen und auf der anderen Seite die Käthe Kollwitz-Str.
    Birkenwäldchen und Victoriapark wären ohne größere Schäden davon gekommen.
    Der Vorschlag Mozartstraße passt auch gut, weil das der ursprüngliche Verlauf war, die Kurve zur Stadionstraße gabe es früher nicht. Der “historische Weg” war direkt gerade durch und dann auf das Kirchgestell bis zur heutigen L401. Das Kirchgestell wurde “wegparzelliert” so daß heute nur die kürzere Mozartstr. als Möglichkeit bleibt.
    Auch wäre eine “kleine Lösung” denkbar, eine Querung nur für PKW und Fahrräder bzw. Fußgänger. Da würden zwar die Spediteure meckern, den Anwohnern wäre aber geholfen.

  7. WLJ
    26. Juni 2023 at 19:22

    Frau Hartenstein, eine Knotenvereinbahrung mit der Bahn wurde Berlin im Interesse von Brandenburg nie jemand schließen. Außerdem sind weit und breit keine Landes – und Bundesstraßen vorhanden. Sicher könnte man einen jetzigen Mitarbeiter einer Berliner Tiefbaufirma mal wieder fragen, was er sich vor Jahren Jahren gedacht hat. Ich bleibe dabei : die Würfel sind gefallen – im Zeitalter der Lastenfahrräder ist der Zug abgefahren

  8. B.Hartenstein
    26. Juni 2023 at 18:29

    Die vorhandene Bahntrasse incl. der Gleisüberquerungen stammen noch Zeiten des Bau der Görlitzer Bahn. Und entsprechend waren die Notwendigkeiten für den bestehenden Verkehr. Die Gebäude beidseitig zur Bahn stammen teilweise auch aus dieser Zeit. Inzwischen ist mind. ein Jahrhundert vergangen und weder die vorhandenen Straßen noch Bahn und Gleisüberquerungen wurden dem realen Verkehr angepasst.
    Jetzt dieses Problem ohne massiven Einschitt in vorhandene Infrastruktur lösen zu wollen, halte ich für unlösbar wie eine Gleichung mit mindestens. 3 oder 4 Unbekannten.
    Man sollte sich komplett lösen von diesen “Ortsbezügen” und eine komplett neue Variante gedanklich zu untersuchen.
    Warum muss jeder Ort seine “Bahnschranke” haben?
    Mir fällt z.B.ein, von der K.-L.Str. rechts ab über die Wiese, durch den Wald und anbinden ans Adlergestell.
    Ist nur so ein Gedanke. Geld, viel Geld kosten alle Varianten.

  9. Berthold Pohl
    26. Juni 2023 at 17:16

    Ich habe vor fast 20 Jahren als Mentor eine Machbarkeitsstudie Bahnquerung für die Gemeinden Eichwalde und Zeuthen untersucht. Daraus ging als Favorit eine Tunnellösung in Zeuthen im Hankelweg mit Anschluss Höhe Waldpromenade und für Eichwalde Tunnellösung Mozartstr-Stadionstr hervor. Leider haben beide Gemeinden diese Machbarkeitsstudie in Form einer Diplomarbeit (Diplomand Sebastian Tölpe TU Dresden) nie öffentlich vorgestellt.
    Eine Tunnellösung in der Friedenstr in Eichwalde ist technisch nur möglich, wenn ehem. Bahngebäude abgerissen wird.
    Dipl.-Bauing. Berthold Pohl

  10. Petra P.
    26. Juni 2023 at 10:05

    Genau, Herr Dr. Füting.
    Warum werden nicht die Bürger gefragt. Zur damaligen Präsentation in Eichwalde wurden auch andere Vorschläge gemacht.
    Hat man mal über eine Tunnellösung in der Waldstrasse nachgedacht? Sicherlich auch nicht zur Freude der Anwohner. Aber Verkehrswege sind schon vorhanden. Nur mal kurz angedacht. Mich würden andere Meinungen interessieren.

  11. Dr. Dieter Füting
    25. Juni 2023 at 23:03

    Das Kreuzverhör vorbei,
    doch alle Fragen offen.

  12. WLJ
    25. Juni 2023 at 22:23

    Die Hinweise von Herr Reif sind nicht neu und die Reif- Variante hätte dem Vorteil. dass die Bahn so lange bauen kann wie sie will, ohne in erforderlichen Bahnknoten eimzugreifen. Aber Herr Reif hat sich auch schon bemüht, die Unterführungsarbeiten in Zeuthen zu beschleunigen- er wollte sogar den Flughafenchef Daldrup holen – um das Ding aufzumachen. Die Worte von Herrn Reif haben Substamz . Aber : zu spät zu teuer und der Bedarf ist nicht mehr da. Es wird auch infolge der wirtschaftlichen Situation kein Geld dafür mehr da sein- der Zug ist abgefahren. In Schulzendorf ist 1997 die Straßenbeleuchtung abgebaut worden – Dank unserer Politiker. Eher wird der Bahnübergang geschlossen, als das etwas passiert.

  13. Erdbewohner
    25. Juni 2023 at 21:22

    Also der “Kleiderbügel” wär schon ne tolle Sache.
    Verstehe aber nicht warum man in der Friedenstr. nicht nen Tunnel wie in Wildau unter die Bahngleise buddelt….?

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