Ach, was für eine herzerwärmende Geschichte! Die „Tagesthemen“ gewähren uns einen Blick in den Alltag zweier stolzer Rheinmetall-Mitarbeiter. Evelyn, einst Kosmetikerin, bringt nun statt Fingernägeln Panzermunition auf Hochglanz. Und Tristan, der ehrenwerte Familienvater, baut sich dank Bombengeschäften sein Eigenheim. Ein Hoch auf den sozialen Aufstieg durch die Waffenproduktion! Es fehlt nur noch, dass der Bericht mit einer mitfiebernden Live-Schalte aus der Panzerfertigung endet: „Und hier sehen wir Evelyn, die gerade mit viel Liebe eine neue Granate poliert – ein echtes Meisterstück!“
Doch halt, ist das etwa Werbung? Nein, natürlich nicht! Die ARD betreibt seriösen Journalismus. Schließlich wird irgendwo im Nebensatz angemerkt, dass Menschen durch diese Waffen sterben. Aber keine Sorge, Tristan beruhigt uns: Jedes Gewerbe hat Schattenseiten. Also bloß keine moralischen Skrupel – das ist was für die anderen Branchen, nicht für die Hersteller von Friedensstabilisierungsgranaten.
Erfrischend, dass man in diesen Zeiten auch mal erfährt, was für ein toller Arbeitgeber die Rüstungsindustrie ist. Während Krankenpflegerinnen und Erzieher um ihre Bezahlung kämpfen, bietet Rheinmetall nicht nur sichere Arbeitsplätze, sondern auch eine Perspektive für all jene, denen das Lackieren von Nägeln in der Pandemie nicht lukrativ genug war. Vielleicht gibt es demnächst auch eine Job-Börse der ARD: „Sie sind arbeitslos? Wir haben da was für Sie! Lackieren Sie die Zukunft mit Rheinmetall – jetzt bewerben!“
Man könnte ja auf die kühne Idee kommen, dass Journalismus Fragen stellen soll. Etwa: Warum ist es einfacher, in Deutschland Munition zu produzieren als eine Sozialwohnung zu bauen? Warum boomen die Rüstungskonzerne, während ÖPNV und Schulen verfallen? Und wieso sendet ein öffentlich-rechtlicher Sender zur besten Sendezeit eine PR-Nummer für einen Konzern, dessen Aktienkurs sich seit Jahren explosionsartig entwickelt?
Doch solche Fragen sind zu sperrig für den wohlig-weichen Singsang der „Tagesthemen“. Stattdessen bekommt das Publikum eine industrialisierte Feel-Good-Story mit ordentlich Schmauchspuren auf der Moral. Bleibt nur zu hoffen, dass Evelyn nicht irgendwann bemerkt, dass ihr Beruf weniger mit Kosmetik als mit Kosmetik des Krieges zu tun hat.
Antworten auf die Frage von Matthias Rackwitz “Und wieso sendet ein öffentlich-rechtlicher Sender zur besten Sendezeit eine PR-Nummer für einen Konzern, dessen Aktienkurs sich seit Jahren explosionsartig entwickelt?” und nicht nur auf diese gibt u.a. das Buch des Verfassers
Alexander Teske: “Inside Tagesschau – Zwischen Nachrichten und Meinungsmache” aus dem LMV-Verlag.
Auch in gut sortierten öffentlichen Bibliotheken erhältlich. Ein Blick hinter die Kulissen mit vielen unerfreulich-erhellenden Erkenntnissen für Außenstehende.
He He machen wir ein Deal, ist doch das normalste der Welt!