Im Kreuzverhör: Dahme Nordufer – Wie nun weiter, Herr Kerber? (Teil 3)

27. Juli 2022
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Wildau. Eine Mehrheit der Wildauer hat sich in einer repräsentativen Umfrage für eine Bebauung des Dahme Nordufers ausgesprochen. Dennoch gibt es kritische Stimmen zum Projekt, auch von Stadträten. Wie kann es jetzt am Dahme-Nordufer weitergehen?

Der Schulzendorfer sprach darüber mit Frank Kerber. Er war viele Jahre Chef der städtische Wildauer Wohnungsbaugesellschaft (WiWO) und kennt das Projekt der Bauwert AG aus dem Effeff.

Sie haben die Bürgerversammlung zum Bauprojekt live miterlebt. Wie fiel Ihr Fazit aus?

Frank Kerber: Ja. Ich war anwesend, weil ich mir ein eigenes Bild machen wollte. Marc Anders wies einleitend darauf hin, dass es über Jahre eine intensive Zusammenarbeit zwischen WiWO, Stadt und Bauwert gab. Die mit Bauwert geschlossenen Verträge sind ja nicht vom Himmel gefallen. Ich denke, man konnte gut unterscheiden, welche Redner lediglich diffamierende Stimmungsmache im Sinn hatten und wer wirklich Aufklärung wollte. Viele Gegenargumente haben wenig mit dem Projekt an sich zu tun. Die Stadt hat Defizite in der Infrastruktur. Das betrifft in erster Linie das Thema Schule und Kita, aber eben auch Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten sowie die seit Jahren ungelöste Verkehrsproblematik.

Einst war sich der Stadtrat einig, er stimmte dem Optionsvertrag zu. Diese Einigkeit ist derzeit wohl nicht mehr vorhanden. Worin sehen Sie die Gründe dafür?

Frank Kerber: Einig waren sich alle Akteure darin einig, dass das Dahme Ufer für Wohnzwecke und Freizeitnutzung entwickelt werden sollte. Als das Projekt im Jahre 2015 begann, gab es bei niemandem Zweifel darüber, dass mit Blick auf die hohen Kosten für die Altlastensanierung auch eine gewisse Mindestbebauung erforderlich sei.

Da zu diesem Zeitpunkt viele Neubauvorhaben, auch bei der WiWO angeschoben wurden, änderte sich zunehmend die Sichtweise. Das Thema Neubau und „Grün“ wurde zudem zu Wahlkampfzwecken immer wieder instrumentalisiert, so dass sich seit 2016 zunehmend Fronten gebildet hatten. Die Stadtverordneten haben sich sehr frühzeitig unter der damaligen Vorsitzenden des Stadtrates Angela Homuth die Meinungs- und Entscheidungshoheit gesichert. Zu vielen Abstimmungsrunden zwischen der Stadt und Bauwert wurde die WiWO gar nicht eingeladen, obwohl sie Grundstückseigentümerin war.

Dass in der SVV ein breiter Wille für eine Entwicklung des Nordufers bestand, zeigte sich darin, dass ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan im Jahre 2019 gefasst worden ist. Offene Diskussionspunkte waren lediglich die Bebauungshöhe, die Bebauungsdichte und die zeitliche Abfolge der vorgesehenen drei Bauabschnitte. Das Projekt selbst stand nie in Frage.

Kerber

Spielen bei dem Projekt auch parteipolitischen Interessen eine Rolle?

Frank Kerber: Ich sehe eher keine parteipolitischen Interessen, sondern eher die Interessen einzelner Akteure. Mir ist bis heute nicht klar, was der eigentliche Grund für den plötzlichen Sinneswandel vor allem von Angela Homuth und Mark Scheiner war. Auch, dass sich der Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses nach seinem Wechsel von „Die Linke“ ins Lager der SPD plötzlich konträr zu seiner bisherigen Einstellung gewandelt hat, ist mir suspekt. Lag es möglicherweise daran, dass seine damalige Partei, Die Linke, seinem Wunsch nicht entsprach, Mitglied des Aufsichtsrates der WiWO zu werden?

Sie genießen in Wildau den Ruf eines Zugpferdes, was die Stadtentwicklung betrifft. Es war auffällig, dass nach Ihrem Abschied aus der WiWO zahlreiche Projekte gekippt wurden, warum?

Von Wildauern und aus dem politischen Umfeld hat man immer wieder gehört, dass es das Ziel einiger Akteure war, Projekte nachträglich zu verhindern, die noch meine Handschrift trugen oder mit meinem Namen verbunden waren. Ob Kita, Neubau Bergstraße/Fichtestraße, Kopfbauten am Hückelhovener Ring oder die Erweiterung des Verwaltungssitzes der WiWO: Alle Projekte sind – obwohl es bereits Bauanträge dafür gab und die Gremien der Stadt und der WiWO diesen Projekten umfassend zugestimmt hatten – gestoppt und die Bauanträge zurückgezogen worden. Jeder Sachverständige weiß, dass die finanziellen Schäden daraus jeweils sechsstellig sind. Aus meiner Sicht ging es den Treibern immer nur darum, Menschen zu beschädigen, um den Fokus von eigenem Fehlverhalten abzulenken. Die Zeche dafür zahlt die WiWO bzw. die Stadt als ihre Gesellschafterin. Es ist erstaunlich, dass es aufgrund des Betreibens von Einzelnen bisher nicht gelungen ist, in der SVV die Dinge sachgerecht aufzuklären. Geheimhaltung und Ausschluss der Öffentlichkeit standen immer an erster Stelle.

Nochmal zurück zu den Behauptungen, der Kaufpreis sei zu niedrig angesetzt. Das wurde in der Bürgerversammlung widerlegt. Wie würden Sie denn vorgehen, um beim Preis für Transparenz zu sorgen?

Frank Kerber: Der richtige Weg, den ich Anfang 2020 vorgeschlagen habe, wäre es, zum Ende des Bebauungsplanverfahrens durch die Stadt ein Verkehrswertgutachten einzuholen, um objektiv und angemessen eine Infrastrukturabgabe anhand der Wertigkeit und der Wirtschaftlichkeit zu ermitteln. Aus heutiger Sicht ist es noch ein langer Weg. Niemand kann über die nächsten zwei Jahre eine seriöse Einschätzung abgeben. Genau deshalb gibt es ja dafür geeignete Verfahren.

Die Stadtverordneten sollten sich von der Verwaltung aufklären lassen, wie das Prozedere beim Projekt Röntgen-Schertling-Straße war. Auch hier wird andauernd die Unwahrheit erzählt. Viele heutige Stadtverordnete, wie Thomas Wilde, Susanne Ziervogel, Mark Scheiner, Manfred Stöpper, aber eben auch Olaf Rienitz und Marc Anders wissen darüber umfassend Bescheid, weil sie das Verfahren von A bis Z selbst begleitet und entsprechende Beschlüsse gefasst haben. Fragen lohnt sich also.

Wie sollte es Ihrer Auffassung nach mit dem Projekt weitergehen?

Frank Kerber: Das Projekt Dahme Ufer ist aus meiner Sicht aus minderen Beweggründen missbraucht worden. Ansonsten hätte man nicht parallel ein von einem österreichischen Makler gewolltes Projekt auf der gegenüberliegenden Bahnseite mit 185 Wohnungen ohne Bebauungsplan nahezu „durchgewunken“. Und zwar nicht nur bei der Mehrheit des neuen Aufsichtsrates der WiWO, sondern auch im Stadtrat. Hier hatte es offenbar keine Rolle gespielt, auf jegliche Mitgestaltungsrechte der Stadt und auf Infrastrukturabgaben freiwillig zu verzichten und ein Grundstück der WiWO weit unter Wert zu verkaufen.

Die Fronten in der SVV sind verhärtet. Ich glaube, einige Mitglieder sind gar nicht bereit, eine konstruktive Lösung zu suchen. Es geht hier schon lange nicht mehr um die Interessen von Wildau, sondern um persönliche Grabenkämpfe und Feindschaften.

Auch wenn – wie der Bürgermeisterkandidat Martin Stock sagt – das Stadtoberhaupt lediglich die Beschlüsse der SVV umzusetzen hat, so wird ein neuer Bürgermeister seinen Beitrag dazu leisten können, vernünftige Entscheidungsvorlagen zu erarbeiten und Sachverstand einzubringen. Ein Bürgermeister hat hierbei – wie auch in anderen Belangen der Stadt – eine wichtige Führungsrolle bei der Meinungs- und Willensbildung in der SVV und in der Bürgerschaft. Dazu ist es aber wichtig, dass er unabhängig von den bisherigen Abläufen ist und unideologisch, intelligent, lösungsorientiert und konsensfähig agiert. Wenn – so wie in der Bürgerversammlung – die Fakten und die Wahrheit auf den Tisch gelangen, dann werden die Stadtverordneten ihrer Verantwortung auch gerecht werden (können).

Einige Bürgermeister-Kandidaten erwecken den Eindruck, dass es mit Ihnen ein „Weiter so“ geben wird. Andere stellen sich der Herausforderung. Es geht darum, das sinnlose weitere Verbrennen von Geld und Ressourcen zu beenden. Die Bauwert AG hat seit inzwischen zwei Jahren bewiesen, dass sie kompromissbereit ist und das intensive Gespräch mit der Stadt und der WiWO sucht. Es ist nun an der Zeit, dass die Stadt Wildau auf Bauwert zugeht.

Es sind Konstruktivität und Kreativität gefragt, aber auch der Wille zum gemeinsamen Erfolg, wie auch immer er dann aussieht.

2 Responses to Im Kreuzverhör: Dahme Nordufer – Wie nun weiter, Herr Kerber? (Teil 3)

  1. 28. Juli 2022 at 23:30

    Das sind klare Worte und Argumente, mir direkt aus dem Herz gesprochen. Schade, das Herrn Kerber als WiWo Chef von der ehemaligen Bürgermeisterin gekündigt wurde. Seitdem geht sprichwörtlich vieles den Bach runter. Er und Herr Kröning der Wildauer Genossenschaft waren und sind die Macher von Wildau. Ich wünsche, das in Wildau wieder ein Bürgermeister gewählt wird, welcher die Stadt auf den von vielen Bürgern gewünschten Kurs bringt. Für mich kommt da nur ein erfahrener, kompetenter Bewerber ohne Parteizugehörigkeit in Frage. Ich hoffe das einige der o.g. von uns gewählten Mitglieder der SVV sich endlich dazu bekennen, ihre Machtspielchen beenden, sich auf die eigentliche Arbeit konzentrieren, ohne das Eigeninteresse in den Vordergrund zustellen sowie den neuen Bürgermeister unterstützen. In diesem Sinne auf einen erfolgreichen Neuanfang…, es gibt viel zutun.

  2. Oliver Bittner
    27. Juli 2022 at 20:39

    Lieber Frank,
    das sind klare Worte und inhaltlich, wenn wahr gesprochen, kannst du das am besten beurteilen und sind größtenteils nachvollziehbar.
    Ich hoffe es gibt für das Dahmeufer eine gute Lösung, wobei die Ufernutzung der Allgemeinheit zur Verfügung stehen sollte.
    Es sind schon verrückte Zeiten und bei den Bürgermeisteranwärtern habe ich auch nicht grade das Beste Gefühl und mir fehlt auch etwas die geeignete Expertise?????.
    Ich kann mich leider nicht um alles kümmern??.
    Es stehen immer weniger Ur-Wildauer zur Verfügung, welche die Balance zwischen wahren wirtschaftlichen Interessen, wohlfühlen, Natur…. im Einklang halten (Kurpark, Pulverberg mit seiner vergangenen Artenvielfalt, Dahmewiesen mit Orchideen…., Hr. Wollenberg, Dittmar Noack….mitunter evtl. belächelt und einige Andere fehlen da schon.
    Momentan ist es ja allg. recht spannend und mal schauen, wie es in Wildau weiter geht.

    Alles Gute und hoffentlich bis bald mal wieder.

    Gruß Oliver

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