November 1989 – zwanzig Jahre danach hat sich auch Schulzendorf stark verändert.

26. November 2009
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Seit dem November 1989 hat sich auch in Schulzendorf vieles verändert. Schulzendorfer Bürger melden sich mit ihren Eindrücken zu Wort:

Heinz Rösner, Elektroinstallateur:

„Als die Wende kam, das war einwandfrei. Ich konnte seit dem hinfahren, wo ich wollte und einkaufen, was ich wollte. Bereits zu DDR Zeiten war ich ein begeisterter Fan von Hertha BSC. Im Westfernsehen verfolgte ich schon damals die Spiele der alten Dame. Was ich nie für möglich hielt wurde nach der Wende wahr. Ich besuchte damals ein Spiel meiner Hertha im Olympiastadion. Was heute zur Gewohnheit geworden ist war damals unfassbar!”

Thomas Fischer, SPD Vorsitzender der Ortsgruppe Schulzendorf:

„Mauerfall und Wiedervereinigung haben den Lauf meines Lebens sehr stark verändert: Ohne beides würden wir nicht in Berlin arbeiten, in Schulzendorf wohnen, würden unsere Kinder nicht hier zur Schule gehen und hier aufwachsen. 20 Jahre danach spielen Vorbehalte gegen “Ossis” oder “Wessis” im Alltag zum Glück – vor allem für die Kinder – kaum eine Rolle mehr.”

Foto: Gemeinde Schulzendorf, Archiv Ortschronisten

Peter Steinberg (*), Hartz IV – Empfänger:

„Natürlich gibt es jetzt alles zu kaufen, was das Herz begehrt. Natürlich kann man reisen wohin man möchte. Nur ich kann es mir nicht leisten! Ich will arbeiten, aber niemand will mich.”

Andreas Böhme, Fachverkäufer im Praktiker Baumarkt:

„In Schulzendorf hat sich seit der Wende eine Menge Positives getan. Wir haben vernünftige Straßen bekommen, die Wohnqualität hat sich enorm verbessert und auch die heutigen Einkaufsmöglichkeiten lassen sich nicht mehr mit jenen aus dem Jahre 1989 vergleichen.”

Joachim Kolberg, CDU – Gemeindevertreter:

„Der glücklichste Tag meines Lebens, war die Maueröffnung nicht. Das waren die Tage, an denen meine Kinder geboren wurden. Aber ich empfand neben der Überraschung eine tiefe Zufriedenheit, dass der Spuk endlich ein Ende hatte. Nach zwanzig Jahren kann ich sagen, mein Leben hat sich verändert. Ich habe in Schulzendorf, in dem Ort, wo meine Familie seit Ende des 19. Jahrhunderts lebt, ein zu Hause gefunden. Hier habe ich zur Kommunalpolitik gefunden und freue mich, dass ich dadurch an der Gestaltung des Ortes und des Landkreises mitarbeiten darf. Unter dem Strich, kann ich sagen, ich persönlich fühle mich als Gewinner der Einheit, vergesse dabei aber nicht diejenigen, die es nicht so gut getroffen haben.”

Foto: Reglinde Thiemann

Ursula Schramm, Gastronomin:

„Wer sich heute engagiert und viel arbeitet kann sich auch etwas leisten. Das war aber zu Ost – Zeiten nicht anders. Mir persönlich hat damals nichts gefehlt. Nur Reisen konnten wir im Osten nicht. Das ist heute glücklicherweise anders.”

Frank Scheffler, Student:

Deutschland ist zwar ein einheitlicher Staat, doch die Wunden, die die beiden ehemaligen Staaten einst trennten, sind immer noch nicht verheilt. Und selbst wenn das eines Tages in ferner Zukunft der Fall sein sollte, wahrscheinlich erst dann, wenn der letzte unserer Generation nicht mehr lebt und berichten oder angeprangert werden kann, so wird wohl doch auf ewig eine Narbe erkennbar bleiben. Vielleicht sollte man langsam anfangen mit der aktuellen Situation zu leben und nicht ständig zurückzublicken und alles Tod zu diskutieren.In den Medien und der Politik trennt man nach 20 Jahren immer noch in Alte und Neue Bundesländer. Täglich gibt es Dokumentation und Diskussionsrunden, so dass man bei den Wörtern “Ost”, “West” oder “Mauer” schon gar nicht mehr hinhören mag, weil einem das Thema zu den Ohren herauskommt. Aber vom ständigen Diskutieren und Reden schafft man eher eine Verdrossenheit gegenüber dem Thema als einer Annäherung, vor allem auch im geistigen Sinne.”

Dr. Herbert Burmeister, Bürgermeister:

“In Schulzendorf hat sich in den letzten 20 Jahren weit mehr entwickelt als in den Jahren davor. Ich hatte das Glück daran aktiv mitwirken zu können. Ein großer Gewinn für mich ist die Welt anschauen zu können. Das hat sich auch auf meine Weltanschauung ausgewirkt. Ich weiß aber, dass nicht alle die gleiche Möglichkeit hatten und haben. Mich bedrückt die Schere zwischen arm und reich. Deshalb wünsche ich mir mehr soziale Gerechtigkeit.”

Wolfgang Sauerwald, Rentner:

„Jede Zeit, die vor 1989 und die danach hat, wie bei einer Medaille, zwei Seiten. Es ist einerseits sehr schön zu reisen wohin man möchte und zu sagen was man denkt. Anderseits würden meine Vorfahren aus dem Grab auferstehen und die Verantwortlichen zu Rede stellen, wenn sie wüssten, was aus unseren Schulzendorfer Feldern geworden ist. Ich habe zu Ost – Zeiten jede Kartoffel und jede Möhre vom Feld gelesen. Die Gemeinde Schulzendorf hat zig Tausende D – Mark Stilllegungsprämie erhalten, damit auf den Schulzendorfer Feldern nicht mehr angebaut wird und in Afrika verhungern Kinder. So geht das nicht.”

Foto: G.Eggert

Irene Robus, Ortschronistin:

„Persönlich geht es mir nach der Wende gut. Das Leben ist lebenswert. Meinen großen Traum nach Schulzendorf zu ziehen, in mein eigenes Haus konnte ich mir erfüllen. Die Reisefreiheit konnte ich genießen. Aber ich habe auch die Arbeitslosigkeit kennen gelernt und die damit verbundenen Existenzängste. Diskriminierung im Beruf. Es hat Jahre gedauert bis auch die Leistungen eines „Ossis” anerkannt wurden. Mit der Ellenbogengesellschaft kann ich mich nicht „anfreunden”. Die Machtlosigkeit gegen Gewalt und Kostenexplosionen die die Menschen ins Unglück stürzen, lässt mich zeitweilig in meinem Tatendrang erstarren. Der Hass auf Menschen denen es „besser geht” als dem „Durchschnittsbürger” ist beängstigend.”

Markus Mücke, Schulzendorfs künftiger Bürgermeister:

„ Zwanzig Jahre nach der Grenzöffnung gibt es für mich keine Wessis und keine Ossis mehr. Jedes der 16 Bundesländer hat sein eigenes Gesicht und ist auf seine Art liebenswert. Wir sind auf dem besten Weg, die Grenze auch in den Köpfen zu vergessen.”

Foto: Reglinde Thiemann

Hans Schmidt (*), NPD – Wähler:

„In Sachen Freiheit geht es uns besser als zu DDR – Zeiten. Wir können heute reisen wohin wir wollen. Nur wenn man kein Geld hat, kann man auch nicht reisen. Früher gab es die Stasi, heute dafür den BND und den Verfassungsschutz. Wir Ostdeutschen sind für die Westfirmen der letzte Dreck. Ich selber arbeite schwer für einen Hungerlohn. Nach 20 Jahren Mauerfall verdienen unausgebildete Türken in meinem Unternehmen mehr als qualifizierte Ostdeutsche. Das finde ich total ungerecht!”

Daniel Wiesenthal, Gemeindevertreter der LINKS Partei

“Ich, als sogenanntes Wendekind, habe meine Sozialisation in zwei deutschen Staaten erhalten. Das hat in mir natürlich besondere Spuren hinterlassen. Und so sehe ich die Wiedervereinigung grundsätzlich als richtig an und empfinde es als einen der schönsten Momente der deutschen Geschichte. Auch wenn ich heute immer noch das Gefühl habe, dass die Ostdeutschen auf diesem schwierigen Weg nicht genügend mitgenommen wurden. Es wurde im Grunde nur das Westdeutsche System in den Osten transferiert und die Menschen haben bis heute nicht die Möglichkeit Ihre Geschichte selbst zu erzählen und sich mit der DDR selbst auseinander zu setzten. Es reicht eben nicht aus, einfach einem Geltungsbereich beizutreten. Die Chance einer richtigen Wiedervereinigung, mit einer verfassungsgebenden Versammlung, an der sich alle Deutschen hätten beteiligen können, ist 1990 vertan worden.”

Mario Stresing, Polizeibeamter:

„Die Infrastruktur in Schulzendorf hat sich gigantisch entwickelt. Wir haben im Ort zu großen Teilen befahrbare Straßen die auch noch beleuchtet sind. Es sind eine schöne Schule, ein modernes Feuerwehrgebäude und viele neue Einkaufseinrichtungen entstanden.”

* Name geändert – Redaktion Schulzendorfer.de

2 Responses to November 1989 – zwanzig Jahre danach hat sich auch Schulzendorf stark verändert.

  1. DUMOULIN
    9. Oktober 2013 at 09:37

    Für meinen Bruder und für mich war es immer wunderbar nach Schulzendorf zu reisen, wo unsere Grosseltern, Max und Erna Zahl in der Heinrich-Heine Str. lebten. Die Grünflächen,der weisse Sand und unsere freundlichen Grosseltern die sich viel vom Mund absparten, damit es an nichts fehlte, sind für mich die besten Kindheitserinnerungen. Nach der lange ersehnten Wende war meine Oma dann doch enttäuscht denn ihr Sparbuch wurde nicht mehr mit der Hand beschrieben sondern ausgedruckt. “Ob das wohl mit rechten Dingen zugeht?” Plötzlich waren an allen Ecken Nordvietnamesen, die Zigaretten aus einem Bauchladen verkauften.Ich bin glücklich das alles miterleben zu können denn ich kannte ja fast nur die erfreulichen Seiten der DDR-Zeiten. Schlimm war es, als meine Mutter 1962 jung starb und meine Grosseltern nicht zur Beerdigung kommen konnten denn sie waren noch keine Rentner.
    Schulzendorf ist in meiner Erinnerung ein traumhaft schönes Dorf geblieben.

  2. Joachim Kolberg
    27. November 2009 at 12:14

    Warum wurde der Name von Hans Schmidt geändert. Traut der Herr sich mit seiner Gesinnung nicht an die Öffentlichkeit? Unsere Demokratie verträgt auch solche Meinung.

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