Gebietsreformen: Keine Einspareffekte, dafür Risiken und Nebenwirkungen

7. Dezember 2016
Von

Derzeit ist es eines der am meisten diskutierten Themen in Brandenburg: Die geplante Kreisgebietsreform.

Während Brandenburgs Innenmister Schröter (SPD) kräftig die Werbetrommel für die Reform rührt ( „Wir machen die Reform auch nicht für heute – sondern für morgen und übermorgen.“), erhalten Kritiker der Gebietsreform durch das renommierte ifo Institut München Wasser auf die Mühlen.

So soll künftig die Verwaltungsstruktur Brandenburgs aussehen. (Darstellung MIK)

So soll künftig die Verwaltungsstruktur Brandenburgs aussehen. (Darstellung MIK)

Felix Rösel von der ifo Niederlassung in Dresden hat die Kreisgebietsreformen in Sachsen und Mecklenburg Vorpommern unter die Lupe genommen.

Sein Fazit: „Den fehlenden Einspareffekten stehen jedoch spürbare „Nebenwirkungen“ von Gebietsreformen für die demokratische Teilhabe, wie z.B. eine sinkende Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen, eine Stärkung populistischer Strömungen sowie eine rückläufige Zahl von Kandidaten auf den Kommunalwahllisten, gegenüber.“

Als ursächlich für die Verdrossenheit in fusionierten Gemeinden sieht Rösel die „zunehmende Distanz zu politischen Entscheidungsträgern“ sowie „die weniger genaue Bedienung unterschiedlicher lokaler Präferenzen“ auf dem Gebiet der Gemeindesteuern, Abgaben sowie öffentlichen Leistungen an.

Rösels Untersuchungen belegen, dass in Sachsen die Pro – Kopf – Ausgaben der sächsischen Landkreise nach 2008 nicht spürbar abgesunken sind. Die Ausgaben mit Gebietsreform haben sich nahezu genauso entwickelt, wie im Sachsen ohne Kreisgebietsreform. „Insbesondere im Bereich der Allgemeinen Verwaltung wurden vor der Reform Synergie- und damit Einspareffekte erwartet, die sich jedoch zumindest innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Reform nicht realisierten.“, so Rösel.

Gründe für fehlende Spareffekte

Rund 74 Prozent ihrer Gelder geben Brandenburgs Landkreise für soziale Leistungen, wie Grundsicherung, Sozial- und Jugendhilfe, Zuschüsse und Transferzahlungen aus. Weil die Gelder im Wesentlichen von der Zahl der Bezieher sozialer Unterstützung und nur marginal von der Organisation der Verwaltung abhängen, sind Einsparpotentiale kaum zu erwarten, ist sich der Dresdner Wirtschaftsökonom sicher.

„Ein be­trächtlicher Anteil der Verwaltungsmitarbeiter ist in Aufgaben­bereichen beschäftigt, deren Zahl sich we­niger an der Zahl der Einwohner als der entsprechenden Fallzahlen (Kfz-Zulassun­gen, Sozialhilfeempfänger etc.) bemisst. Da­mit sind auch im Personalbereich die Ein­sparmöglichkeiten begrenzt.“, so Rösel.

Geringe Einwohnerdichte erhöht Ausgaben

Für den Wirtschaftsexperten erklären sich die ausbleibenden Einsparungen von Gebietsreformen auch aus folgendem Ansatz:

Bisherige Untersuchungen unterstellten stets den Zusammenhang zwischen Personalkosten und   Zahl der Einwohner. Nach Berechnungen des ifo Instituts würden sich die Personalausgaben nach dem geplanten Zusammenschluss von Teltow – Fläming (TF) mit Dahme – Spreewald (DS) auf 74 Euro je Einwohner (vor der Reform: 283 Euro) reduzieren. Dies entspräche einer Einsparung von 15 Prozent der Gesamtausgaben.

Dieses Ergebnis ändert sich nach Rösels Untersuchungen drastisch, wenn man die Korrelation zwischen Ausgaben und Einwohnerdichte betrachtet. Denn große Teile von Ausgaben, z.B. für Kreisstraßen, Landschafts- und Naturschutz, sind weniger von der Einwohnerzahl, sondern vielmehr von der Siedlungsdichte abhängig.

Untersuchungen des ifo Instituts belegen: Unter dem Aspekt der Einwohnerdichte führt die geplante Kreisgebietsreform sogar zu steigenden Ausgaben pro Einwohner. (Foto: mwBild)

Untersuchungen des ifo Instituts belegen: Unter dem Aspekt der Einwohnerdichte führt die geplante Kreisgebietsreform sogar zu steigenden Ausgaben pro Einwohner. (Foto: mwBild)

Für die Brandenburger Landkreise würden sich bei dieser Rechnung sogar Mehrkosten von zwei Prozent des Gesamtbudgets ergeben. Im Fall von TF und DS werden nach einer Reform 316 Euro Ausgaben pro Einwohner bei der Betrachtung nach Einwohnerdichte geschätzt.

Wirtschaftsökonom Rösel zu den Gründen: „Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Einwohnerdichte durch Gebietsreformen nur unwesentlich verändert wird. Bisherige Prognosemodelle adressieren diesen Befund nur unzureichend, was zu einer methodisch bedingten deutlichen Überschätzung von Einspareffekten führte.“

Alterung führt zu sinkenden Kommunalausgaben

Auch die Debatte um die alternde Gesellschaft wird oberflächlich geführt. Als Grund für die Durchführung von Gebietsreformen berufen sich Politiker oft auf die Alterung der Gesellschaft. Doch die Forschung widerspricht dem.

Ausgaben für ältere Menschen (Renten, Grundsicherung im Alter, Leistungen der Pflegeversicherung) werden tendenziell vom Bund getragen. In Kommunalhaushalten stehen vor allem Ausgaben für Jugendliche im Mittelpunkt.

„Schreibt man beispielsweise die altersgruppenspezi­fischen Ausgabenprofile mit der prognostizierten Einwoh­nerentwicklung in den jeweiligen Altersgruppen in Thüringen fort, würden rech­nerisch bis zum Jahr 2030 allein durch die Alterung der Gesellschaft die Pro-Kopf-Aus­gaben der Kommunen in Thüringen gegen­über 2012 um rund 4% sinken. Zumindest auf kommunaler Ebene (auf anderen Ebe­nen, insbesondere der Bundesebene, sind durchaus andere Entwicklungen zu erwar­ten) ist die Alterung der Gesellschaft damit eher mit sinkenden als mit höheren Ausga­ben verbunden.“, so Felix Rösel.

(Das ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. ist eines der größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute.)

3 Responses to Gebietsreformen: Keine Einspareffekte, dafür Risiken und Nebenwirkungen

  1. Freier Wähler
    8. Dezember 2016 at 13:28

    Die Bürger werden total verschaukelt, Frau Fischer und Frau Lehmann haben im Landtag für die Reform gestimmt, jetzt stimmen sie faktisch dagegen. Die Linken kann man überhaupt nicht mehr ernst nehmen. Mit einem Minister an der Spitze im Kreistag, der einer kleinen Sekretärin nicht mal 400 Euro zahlen will.

  2. Frank Knuffke
    8. Dezember 2016 at 11:07

    Für die politisch interessierten sei erwähnt,daß gestern der Kreistag Dahme-Spreewald eine Resolution gegen die in der Kreisgebietsreform vorgesehene Fusion mit Teltow-Fläming verabschiedet hat.Die Linken haben dagegen gestimmt bzw. sich enthalten.Die Zustimmung der SPD im Kreistag dürfte auch nur taktischer Natur sein um die Gemüter etwas zu beruhigen.Mein Eindruck ist,die Sache ist in Sack und Tüten und wie die rot-roten Hansels im Landtag darüber abstimmen,kann sich jeder an zwei Fingern abzählen.Mit der grossen Ablehnung an der Parteibasis der Linken scheint es nicht weit her zu sein.Wie schon gesagt,dem Bürger auf der Strasse erzählen sie dies,im Parlament erzählen sie dann das.

  3. Wutbürger
    8. Dezember 2016 at 07:55

    Es ist beschämend was uns SPD, die Linken und die Grünen mit dem Sinn der Gebietsreform vorgaukeln. Es kann doch nicht sein, dass eine Handvoll Politiker über das Schicksal tausender Bürger entscheiden und dafür Millionen einsetzen. Die wären in Schulen und Kitas und der Sicherheit der Bürger vor Kriminellen besser investiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Anzeige

Anzeige

Anzeige